Der Hamburger Falk Richter beschäftigt sich in „Città del Vaticano“ mit Fragen von Identität und Europa

Die ersten Schritte des Theaterregisseurs Falk Richter liegen in Hamburg. Seit dem Studium bei Jürgen Flimm an der Theaterakademie arbeitet Richter erfolgreich als Autor, Regisseur und Übersetzer auf dem internationalen Parkett. Nun gastiert er mit „Città del Vaticano“ bei den Lessingtagen.

Hamburger Abendblatt: „Città del Vaticano“ ist Ihr erstes Gastspiel in Hamburg nach 16 Jahren. Was verbindet Sie mit Hamburg?

Falk Richter: Ich habe immer noch einen großen persönlichen Bezug zu Hamburg. Ich bin hier geboren, zur Schule gegangen und habe meine ersten Inszenierungen gezeigt. Ich habe an allen Hamburger Bühnen gearbeitet. Hamburg ist meine Heimat.

Wovon handelt „Città del Vaticano“?

Richter: Das ist eine Arbeit mit sieben Schauspielern und Performenden aus unterschiedlichen Ländern. Es gibt keine aufwendige Bühne und keine Kostüme, es geht vor allem um die Geschichten der Menschen. Ich wollte die jüngere Generation zwischen 25 und 35 befragen, was ihr heute Religion und Glauben bedeutet. Die Performer gehören zu der Generation von Menschen, die das neue grenzenlose Europa mit ihren Biografien verkörpert. Es geht auch um Fragen von Nation, Familie, Heimat. Der Vatikan ist eine Chiffre für Europa. Verkörpert er die christlichen Werte, über die alle reden, wenn sie von Europa reden? Homosexualität, Kinder ohne Trauschein, all das gilt als Sünde. Wie passt das zur Lebensrealität der Europäer?

Sie gelten als moralischer Regisseur. Wie stehen Sie selbst zur Religion?

Richter: Ich sehe mich selbst gar nicht als Moralist, und ich gehöre keiner Konfession an. Seit zwei Jahren beschäftige ich mich mit der Frage nach Identität auch als Antwort auf Bewegungen wie Pegida und Parteien wie die AfD, die immer für sich die europäischen Werte beanspruchen und Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit gar nicht leben.

Mit Ihrer Berliner Inszenierung „Fear“ haben Sie sich zuletzt den Hass der neurechten Bewegung zugezogen, Morddrohungen und eine Klage erhalten. Was macht das mit einem?

Richter: Ich habe mich mit den Ängsten in Europa auseinandergesetzt und mit denen, die die Angst schüren. Die Inszenierung arbeitet mit Satire und Überhöhung. Die Reaktion war erschreckend, aber ich habe sehr viel Rückhalt bekommen. Als Künstler faszinieren mich die Wahnvorstellungen der Menschen.

Warum bevorzugen Sie eigene Texte?

Richter: Ich habe auch Klassiker interpretiert, konzentriere mich aber inzwischen konsequent auf eigene Texte, weil ich so unmittelbar auf gesellschaftliche Fragen reagieren kann. Mein Theater ist sehr physisch mit einem gemischten Ensemble aus Schauspielern und Tänzern. Es geht um extreme Zustände, hervorgerufen durch gesellschaftliche Einflüsse, die sich im Körper spiegeln. Der Choreograf Nir de Volff schaut in „Città del Vaticano“ sehr genau, was der Einzelne mitbringt und wie man das auf der Bühne vergrößern kann. Der Inhalt wird dadurch dreidimensionaler.

Falk Richter: „Città del Vaticano“ Sa 4.2., 20.00, So 5.2., 19.00, Thalia in der Gaußstraße, Gaußstraße 190, Karten 28/erm. 15 Euro unter
T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de