Oder das Licht der Gletscher leuchtet. Haben die Farbhersteller etwa einen arbeitslosen Lyriker angestellt?

In der nach-weihnachtlichen Tristesse erspähte ich im Baumarkt – richtig, diese Geschichte beginnt an einem Sonnabendvormittag – einen Hoffnungsschimmer, einen bunten. Ein hessischer Farbenhersteller aus dem hessischen Ober-Ramstadt lockt potenzielle Kunden mit dem Slogan: „Erleben Sie die edelmatte Premium-Kollektion ,Feine Farben‘.“

Es ist ein edelmattes Erlebnis der besonderen Art. Die Schlichtheit der Farbeimer korrespondiert so gar nicht mit den Farbnamen. Sie heißen „Flügel in Smaragd“, „Erwachen der Eisblumen“, „Steinblaue Schönheit“ oder „Licht der Gletscher“. Wie soll man denn da den Pinsel ruhig halten? Haben die Pigmentproduzenten einen arbeitslosen Lyriker angestellt?

Goethe, der ja zu fast allem seinen Senf dazugeben muss, hat kurz und knackig formuliert: „Die dunkle Natur der Farbe, ihre hohe gesättigte Qualität ist das, wodurch sie den ernsthaften und zugleich reizenden Eindruck hervorbringt, und indem man sie als eine Bedingung des Lichtes ansehen kann, so kann sie auch das Licht nicht entbehren als der mitwirkenden Ursache ihrer Erscheinung ...“ und so weiter.

Nicht nur der Umgang mit Farbe, auch der mit Worten lässt staunen, wenn nicht sogar erblassen. Ich habe dann Farbe Nr. 14 gekauft: „Ruhe des Nordens“. Das dezente Blaugrau überdeckt allzu schreiende Schattierungen.