Ja, er steht schon vor der Tür. Nein, ich finde sein Grinsen nicht süß. Und ja, er will die Weltherrschaft

Wir sind eine tierliebe Familie. Im Fernsehen gucken wir Dokumentationen über Königspinguine und vom Balkon aus Fiffis, die in unseren Vorgarten machen. Ist ja praktisch Dünger. Hans wünscht sich seit Jahren ein Haustier. Ich finde, ein großer Bruder genügt. Außerdem wohnen bei uns schon Silberfische, Mücken und manchmal Läuse. Das reicht. Zwei Jungs verbrauchen exakt so viel Gedulds-, Futter-, Reinigungs- und Bespaßungsressourcen, wie die Chefin und ich zu bieten haben.

Seit einigen Wochen haben wir nun doch eine Art Haustier, Biest und Baby zugleich, tapsig, frech, verfressen, also genau so wie die Jungs. Es begann damit, dass wir eines Nachts in unserer Laube von heftigem Rascheln geweckt wurden. Normalerweise raschelt hier nichts, erst recht nicht morgens um halb vier. Bewaffnet mit einer Badeschlappe wagte ich mich zur Tür, die ich mit Angstgebrüll aufriss. Oha. Der Müllbeutel war explodiert. Überall Würstchenfolien, Kartoffelschalen und Chips-tüten. Der Anschlag eines militanten Mülltrenners? Schlimmer. Hinter einem Baum sah ich ein Panzerknackergesicht, das mich verschlagen angrinste. „Husch“, sagte ich. Grienen. Zum Glück habe ich mit meinen Autoritätslücken zu leben gelernt.

„Was’n los?“, murmelte die Chefin. „Ein Tier“, antwortete ich. „Was’n für eins?“ „Tja ...“ Bin ich Bernhard Grizmek? Eine Steinlaus war es nicht, ein Königspinguin auch nicht. Ich sammelte den Müll ein.

„Was? Wir haben einen Waschbären?“ Hans war außer sich vor Glück. Er umarmte abwechselnd die Chefin und mich mit einer Hand und tippte mit der anderen die Nachricht vom Haustier ins Handy. „Haustier“ trifft es allerdings nicht ganz. Zwar kommt der Waschbär zum Haus, vor allem, wenn er Hunger hat, also immer, ansonsten wohnt er in einer hohlen Eiche in sechs Metern Höhe, wohin unsere Leiter garantiert nicht reicht. Mit seinen gierigen Griffeln fingert er dort in Specht­löchern, auf der Suche nach Eiern.

„Wir müssen ihn füttern“, rief Hans. „Wir müssen ihn abrichten“, forderte die Chefin. „Wir müssen ihn braten“, dachte ich und versuchte mich an das peruanische Erdnusssaucenrezept für gegrillte Meerschweinchen zu erinnern. Dass man mit einer Waschbärenmütze fast wie Cro aussieht, fand Hans nur mäßig komisch. Er wollte das Tier mit nach Hause nehmen, das Bett mit ihm teilen, die Schulbank, das Leben.

Waschbären sind wie Donald Trump, sie polarisieren. Die Geschichten aus der Gartenkolonie machen das Mögen schwer: Waschbär im Vorzelt, wo er Sonnenmilch (Faktor 20) probierte. Waschbär verkotet Buddelkiste. Vielleicht haben Waschbären auch das BER-Chaos angerichtet?

Erste Frage: Sind die Biester alle so? Und die zweite: War das womöglich immer unserer? Gewährten wir womöglich einem Intensivtäter Unterschlupf? Oder hatte sich bereits ein ganzer Clan strategisch über das Kleingartengebiet verteilt, um es zu entmenschen? Offenbar kennen Waschbären nur ein Ziel: die Weltherrschaft. Während Hans vorsorglich wimmerte, dachte ich ans Abendland und erklärte dem Panzerknacker den heiligen Krieg: Das Tier oder wir.

Zunächst habe ich es mit Krach versucht und unten am Waschbär-Baum ein Medley von Helene-Fischer-Songs angestimmt. Es war sicher Spaß, dass der Nachbar bald mit einer Schrotflinte drohte. Die soll er mal lieber sechs Meter höher richten. Dann habe ich mit dem Gartenschlauch in die Wasch­bärenhöhle gezielt. Als Hans gerade nicht da war, habe ich noch Silvesterknaller in den Baum geworfen. Wegziehen sollst du, Untier. Ja, ich bekenne mich zur animalischen Gentrifizierung.

Neulich nachts raschelte es wieder. Ich sah zwei Waschbären, die den Müll vom Nachbarn vor unsere Tür geschleppt hatten. Ich imitierte ein Maschinengewehr. Zwei Panzerknacker guckten mich erheitert an, mit diesem spöttischen Putin-Zug um die grillsaucenverschmierten Mäuler. Na, wartet, Freunde: Die Aufrüstung kommt. Dieser Kampf kennt nur einen Sieger.