Berlin.

Die Stimmung auf Deutschlands Straßen ist angespannt: Mehr als jeder dritte Autofahrer ist nach eigener Aussage aggressiv im Straßenverkehr unterwegs. Das geht aus der Studie „Verkehrsklima in Deutschland“, hervor, die von den Unfallforschern der Versicherungswirtschaft erstellt wurde.

Insgesamt erleben die Befragten den Straßenverkehr als anstrengend. Rund die Hälfte beschreibt ihn als „stressig“ – für Unfallforscher Siegfried Brockmann, der an der Studie beteiligt war, eine realistische Einschätzung: „Verkehrsraum ist knapp geworden. Die wachsende Konkurrenz darum empfinden viele Verkehrsteilnehmer nicht als angenehm.“

Überrascht waren die Unfallforscher dagegen vom gestiegenen Sicherheitsgefühl. Im Vergleich zum Jahr 2010 fühlen sich deutlich mehr Menschen sicher, der Wert nahm von gut der Hälfte der Befragten auf fast zwei Drittel zu. Dies sei laut der Forscher vor allem auf die Frauen zurückzuführen: „Da sitzt eine neue Frauengeneration am Steuer, die das Fahrzeug selbstbewusst führt“, sagt Brockmann.

Aggressivität

Ruppiges Verhalten im Straßenverkehr ist keine reine Männersache: 44 Prozent der Männer und 39 Prozent der Frauen geben zu, dass sie sich zeitweilig aggressiv verhalten. Vor allem die jüngeren Autofahrer geben sich im Verkehr angriffslustig. Je älter die Fahrer, desto vorsichtiger verhalten sie sich.

Rüpel sind Brockmann zufolge unter den Fahrern ohne Schulabschluss und Akademikern am häufigsten vertreten. Mit zunehmender Kilometerleistung steigt die Neigung zur rücksichtslosen Fahrt. „Man will sich vom knappen Raum ein Stück vom Kuchen abknapsen“, sagt der Experte zu den Gründen. Gut ist das nicht. Aggressive Fahrer sind der Studie zufolge häufiger in Unfälle verwickelt und geraten sehr viel öfter in riskante Situationen. Geldbußen für Verkehrsvergehen schrecken diese Gruppe nicht ab. „Das beeindruckt sie nicht“, sagt Brockmann.

Männer und Frauen reagieren verschieden, wenn andere Autofahrer im Straßenverkehr gefährliche Situationen verursachen. Frauen treten häufiger auf das Gaspedal, wenn sie überholt werden oder treten kurz auf die Bremse, wenn der folgende Wagen zu dicht auffährt. Männer gehen höhere Risiken ein, überholen auf der Autobahn häufiger auch auf der rechten Spur, wenn der Vorherfahrende sie nicht überholen lassen will. Auch erzwingen sie sich häufiger als Frauen die Vorfahrt. Generell drängeln Männer öfter als Frauen. „Männer wollen beherrschen, Frauen nicht untergehen“, glaubt Brockmann.

Fremd- und Selbsteinschätzung

Zwischen der Selbsteinschätzung der Befragten und ihren Beobachtungen von anderen Verkehrsteilnehmern stellen die Forscher eine Kluft fest. 95 Prozent beobachten, dass Autofahrer extra dicht auffahren, damit andere Fahrer nicht in eine Spur einfahren können. Doch nur jeder Fünfte gibt zu, selbst so zu handeln. Auch beobachten 93 Prozent der Autofahrer, dass Radfahrer in zu geringem Abstand überholt werden. Für sich selbst beanspruchen dagegen fast alle ein besonders rücksichtsvolles Verhalten gegenüber Zweirädern. Spaß macht der Verkehr meist nicht. Ein Drittel bis die Hälfte der Befragten hält ihn für stressig, aufreibend, chaotisch.

Smartphone am Steuer

„Ein nicht geringer Teil der schweren Unfälle geschieht durch das Smartphone“, berichtet der Soziologe. Zwar weiß eine Mehrheit der Verkehrsteilnehmer, dass das Schreiben von SMS oder das Telefonieren am Steuer risikoreich sind. Doch nur jeder fünfte Befragte gibt zu, trotzdem ohne Freisprechanlage während der Fahrt zu telefonieren. Glaubhaft findet Brockmann diesen geringen Anteil nicht.

Wirksamkeit von Strafen

Bei einer Alkoholfahrt halten nur 18 Prozent der Autofahrer und jeder elfte Radfahrer eine Kontrolle für wahrscheinlich. Für die Fahrt über eine rote Ampel kalkuliert nur jeder zehnte Radfahrer ein Bußgeld ein. 2010 waren es noch doppelt so viele. Nur die verstärkten Geschwindigkeitskontrollen zeigten offenkundig Wirkung. Die Entdeckungswahrscheinlichkeit sehen die Befragten als doppelt so hoch an wie vor sechs Jahren. Alte Autofahrer möchten viele dagegen besser überprüfen. Eine regelmäßige Überprüfung der Fahrtüchtigkeit bei über 75-jährigen befürworten zwei von drei Befragten.