Diabetes wird in Deutschland 750-mal täglich diagnostiziert. Experten sprechen von einer globalen Bedrohung

Er ist eine Volkskrankheit, und er breitet sich rasant aus. Jeden Tag wird in Deutschland 750-mal Diabetes diagnostiziert – mehr als 270.000-mal im Jahr. Rund sechs Millionen Menschen in Deutschland sind gegenwärtig an Dia­betes mellitus erkrankt, so das Robert Koch-Institut in Berlin. Damit leiden 38 Prozent mehr Menschen an dieser chronischen Stoffwechselerkrankung als noch vor knapp 20 Jahren. Die Weltgesundheitsorganisation sieht in ihr eine globale Bedrohung der Menschheit.

Die Zahl der weltweit an Diabetes erkrankten Menschen wird nach Schätzungen der International Diabetes Federation (IDF) von jetzt 415 Millionen Menschen bis 2040 auf 642 Millionen Menschen ansteigen – jeder zweite davon ist nicht diagnostiziert. „In Deutschland ist somit schätzungsweise jeder 13. Mensch an Diabetes erkrankt. In mehr als 90 Prozent liegt ein Typ-2-Diabetes vor, der durch Übergewicht, Mangel an Bewegung, hyperkalorische Ernährung sowie genetische Einflüsse ausgelöst wird. Nur fünf Prozent leiden am Typ-1-Diabetes, bei dem es sich um eine Autoimmunkrankheit handelt“, sagt Professor Dr. Karsten Müssig vom Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ) in Düsseldorf, das der Leibniz-Gemeinschaft angehört. In 15 Jahren könnte ­bereits jeder zehnte Mensch in Deutschland an Diabetes leiden, ergänzt der ­Leiter des Klinischen Studienzentrums am DDZ.

Die gesundheitlichen Folgen eines Diabetes mellitus können schwerwiegend sein. Das gilt insbesondere, wenn die Erkrankung erst spät diagnostiziert wird oder der Blutzuckerwert individuell nicht richtig eingestellt ist. Zu den gravierendsten Folgen gehören Schlaganfall, Herzinfarkt, Erblinden, Diabe­tischer Fuß und Nierenversagen. Nach Informationen der Deutschen Diabe­tischen Gesellschaft (DDG) erblinden jedes Jahr 2000 Menschen, mehr als 2000 erleiden ein Nierenversagen und mehr als 40.000 verlieren einen oder mehrere Zehen.

„Um diese Risiken zu mindern, ist die Überwachung des Blutzuckerspiegels unerlässlich“, sagt Prof. Müssig. „In der Regel führt nichts an der direkten Messung des Blutzuckers, also am Pieksen vorbei. Und zwar auch dann nicht, wenn ein Gerät den Blutzuckerspiegel ständig überwacht.“ Die Kosten für ein kontinuierliches Glukosemonitoring (CGM) sollen bei Diabetespatienten mit intensivierter Insulintherapie in Zukunft die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen. Das entschied nun der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA).

Bei einem solchen CGM-System steckt ein stecknadelgroßer Sensor in der Haut des Patienten, der fortlaufend den Zuckerwert im Gewebe misst und an ein kleines Gerät sendet, das der Patient bei sich trägt. „Allerdings regis­triert das ­Gerät die Blutzuckerschwankungen nur zeitverzögert, da es die Zuckerwerte im Gewebe und nicht direkt im Blut aufzeichnet“, sagt der Mediziner und ergänzt: „Ein neues Gerät ist so programmiert, dass es aus dem Wert im Gewebe auf den Wert im Blut Rückschlüsse zieht. Das ist natürlich besser, aber auch hier rät der Hersteller zur direkten Blutzuckerkontrolle vor einer Therapie­änderung.“ Sofern die Patienten technikaffin sind, ist das CGM-System sehr gut für diejenigen geeignet, die schwer einstellbar sind und unter starken Schwankungen des Blutzuckerspiegels leiden. „Gerade eine nächtliche Unterzuckerung kann so verhindert werden“, so Prof. Müssig. Auch Therapiehunde können helfen. Aber noch weiß niemand, was die Tiere genau wahrnehmen. „Auch wenn seit 2003 in den USA Hunde zur Überwachung eingesetzt werden, fehlt es an soliden Studien.“ Eines ist in jedem Fall unabdingbar: das aktive Mitwirken des Patienten, um die Krankheit im Griff zu behalten. Dabei gelte es längst nicht mehr, sich an Verboten zu orientieren, sondern an einem gesunden Lebensstil.

Dieser kann sogar das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, um bis zu 58 Prozent senken, so das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD). Um Menschen mit einem hohen Diabetes-Risiko frühzeitig zu identifizieren, haben die Wissenschaftler des DZD und des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) den Deutschen Diabetes Risiko-Test® (DRT) entwickelt (http://drs.dife.de). Er gibt schnell und zuverlässig Auskunft über das individuelle Risiko – machen Sie ihn frühzeitig.