Kempten/Hamburg.

Was im Internet geschrieben wird, kann im realen Leben ernste Folgen haben. Eine Liste von Stiftung Warentest zeigt, dass Gerichten teilweise hohe Geldstrafen verhängen für Hasskommentare im Netz. Jemand, der „Merkel muss öffentlich gesteinigt werden“ im Internet schreibt, musste beispielsweise 2000 Euro zahlen. Wer Juden „selbst Schuld“ am Holocaust gibt, zahlt 5000 Euro. Wer Asylbewerbern eine „Handgranate spenden“ will, kann wegen Volksverhetzung bis zu 7500 Euro bezahlen.

Wie ernst der Polizei die Verfolgung dieses Straftatbestands ist, wurde am Mittwoch deutlich: Bundesweit wurden erstmals in einem Einsatz 60 Wohnungen von Beschuldigten durchsucht, denen „Hasskriminalität im Internet“ vorgeworfen wird. Ziel sei, dem stark zunehmenden „Verbalradikalismus“ und Straftaten im Netz entgegenzutreten, teilte das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden mit. Insgesamt haben 25 unterschiedliche Polizeidienststellen in 14 Bundesländern Wohnungen durchsucht. Die meisten waren Mitglieder in einer Facebook-Gruppe, die durch Hassparolen in Bezug auf Flüchtlinge aufgefallen war oder andere fremdenfeindliche Inhalte verbreitet hat.

BKA-Präsident Holger Münch reagierte so auf die gestiegenen Fallzahlen politisch rechts motivierter Hasskriminalität im Internet – und auf die Radikalisierung von Sprache generell. „Wir müssen deshalb strafbare Inhalte im Netz konsequent verfolgen“, sagte er. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) begrüßte die Aktion. „Das entschlossene Vorgehen der Behörden sollte jedem zu denken geben, bevor er bei Facebook in die Tasten haut“, sagte der Minister. „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.“

In Hamburg wurden drei Wohnungen durchsucht

Hauptbeschuldigte in diesem Fall sind die beiden Administratoren der Facebook-Gruppe, ein 42-Jähriger aus dem Landkreis Ostallgäu und ein 37-Jähriger aus Nürnberg. In Hamburg hat die Polizei drei Wohnungen von Beschuldigten durchsucht – auch sie sollen Hakenkreuze und die in der rechtsextremistischen Szene gängigen Parolen in der Facebook-Gruppe „Großdeutschland“ veröffentlicht haben. Bei den Beschuldigten handele es sich um Sabine S., 31, Marcel G., 39, und Kai-Uwe S., 36. Erst vor wenigen Tagen war ein Rentner aus dem Münsterland von einem Gericht zu einer Geldstrafe von 3000 Euro verurteilt worden, weil er die Hamburger Grünen-Politikerin Stefanie von Berg in einer E-Mail beleidigt hatte.

Die Hamburger Justizbehörde hat eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht, wonach sich Deutsche auch strafbar machen, wenn sie Hasspostings im Ausland verbreiten. Damit will Hamburg eine Gesetzeslücke schließen, zumal bisher das deutsche Recht bei dieser Straftat nur auf Handlungen im Inland angewendet werden darf. „Durch die Dynamik von sozialen Netzwerken entstehen ganze Hasslawinen, die weitreichende Folge haben können“, sagt Justizsenator Till Steffen (Grüne). Diese seien „menschenverachtend und Furcht einflößend“.

Das Unternehmen Facebook verspricht, gegen Hasskommentare vorzugehen – wie das gehen soll, bleibt aber im Dunklen. Erst an diesem Wochenende bekam das Unternehmen den Negativpreis „Verschlossene Auster“ von der Journalismusvereinigung Netzwerk Recherche. In seiner Laudatio warf der Datenschutzexperte Thilo Weichert dem Netzwerk Intransparenz vor. Wie das Löschteam agiere, sei unbekannt. „Facebook ist das bevorzugte Instrument für Hasspropaganda geblieben“, sagte Weichert.