Norderstedt. Experten: Kinder im Kreis Segeberg müssen im Unterricht mehr über Gefahren der sozialen Netzwerke lernen

Es ist die Generation „immer online“, die heute heranwächst. Von der Grundschule bis zum Ende der Pubertät laufe von morgens bis abends die gesamte Kommunikation der Kinder und Jugendlichen über die sozialen Netzwerke im Internet ab, erklärt Medienexperte Uli Tondorf. „Den Jugendlichen dienen die sozialen Medien als Identifikationsstiftung“, sagt der erfahrene Medienexperte vom Jugendhilfeträger „Aktion Kinder- und Jugendschutz“ (AKJS). „Die ganze Welt soll wissen, wo sie gerade sind oder was sie zurzeit tun.“

Darum empfiehlt der Medienexperte, den sichereren Umgang mit den sozialen Netzwerken und das Recht auf den eigenen Datenschutz möglichst in allen Schulfächern zum Thema zu machen. „Wenn das nicht geht, wäre zumindest ein Fach ‚soziale Medien‘ angebracht“, fordert Tondorf. „Das muss heute in den Schulunterricht integriert werden.“

Das wird in den Norderstedter Schulen eher zurückhaltend betrachtet. So sagt Marianne Lilje von der Grundschule Harksheide Nord: „Alles kann die Schule nicht leisten. Überall soll die Schule das auffangen, was die Eltern nicht schaffen.“ Das sei aber nicht möglich, zumal sich die Schüler vor allem in ihrer Freizeit im weltweiten Datendschungel tummeln. Genauso sieht es Kristin Vorwerck vom Gymnasium Harksheide. „Dafür bräuchten die Schulen mehr Geld.“ Zudem würde es schwierig sein, ein solches Fach neben den Hauptfächern allein schon wegen des Unterrichtsumfanges einzubinden.

Kindgerechte Workshops für mehr Medienkompetenz

Jens von der Lehe von der Grundschule Falkenberg sähe die Lehrkräfte darin sogar überfordert: „Wir sind doch alle nur User und keine Experten.“ Wie sollten die Lehrer dafür das nötige Fachwissen mitbringen?, fragt der Grundschulleiter. „Wenn der Computer streikt, streichen doch alle die Segel. Um das vernünftig machen zu können, fehlt uns der Hintergrund. Ich bin ja selbst immer überrascht, wenn die IT-Experten der Stadt Norderstedt vom Rathaus aus Zugriff auf meinen Computerbildschirm haben, ohne dass ich mir das genau vorstellen kann.“

Immerhin Stephan Kruse von der Gemeinschaftsschule Harksheide fände es „sehr spannend“, wenn die Schulen das Thema Datenschutz und Medienkompetenz zu einem eigenen Fach etablieren könnten. „Man könnte ein Medien-Curriculum schaffen, das auch den Datenschutz für die Schüler enthält. Denn Jugendliche binden sich ja zum Teil mit nur einem Klick im Internet an irgendwelche Verträge.“ Bei den nächsten „Vorhaben-Wochen“, die die Gemeinschaftsschule zweimal je Schulhalbjahr anbiete, werde das Thema Datenschutz im Internet „mit Sicherheit bald angeboten“, so der schulinterne Medienleiter Kruse.

Gleichwohl beschäftigen sich alle befragten Schulen mit diesem Thema. Das Gymnasium Harksheide hat gerade einen Medien-Workshop mit externen Beratern für die fünften bis siebten Klassen abgehalten. „Das ist absolut notwendig und muss ausgeweitet werden“, sagt Schulleiterin Vorwerck.

Bei den Grundschulen wird dies ähnlich gehandhabt. So würde an der Grundschule jedes Jahr für die dritten und vierten Klassen ein Medienworkshop von externen Experten angeboten. „Darin werden kindgerecht alle Gefahren angesprochen“, sagt Schulleiter von Lehe. Die Grundschule Harksheide Nord bediene sich dabei der Fachkompetenz des offenen Kanals Tide, sagt Schulleiterin Marianne Lilje. „Da fallen dann die Eltern oft aus allen Wolken, wenn sie hören, welche Gefahren lauern, wenn sie ihren Kindern das Smartphone überlassen“, sagt sie und ergänzt: „Meine Kollegen wissen alle, dass sie mit ihren Schülern nicht über soziale Medien wie WhatsApp kommunizieren dürfen.“

Die Aufgabe der Lehrer sollte es sein, die Schüler dafür zu sensibilisieren, sich genau zu überlegen, was sie im Internet von sich preisgeben, sagt Henry Krasemann vom unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz. So würden es die meisten Menschen auf der Straße ablehnen, einem Fremden ihre Adresse oder Telefonnummer mitzuteilen. Doch wenn sie im Internet dazu aufgefordert werden, falle plötzlich diese Hemmschwelle. Bereitwillig füllten die meisten User Fragebögen mit persönlichen Daten im Internet aus, ohne zu prüfen, ob diese Angaben für ihr Anliegen wirklich erforderlich sind. Hinzu komme eine gewisse Naivität, sagt Medienexperte Tondorf. „Viele Jugendlichen wissen um die Gefahren und machen es trotzdem.“