Berlin/London.

Amélie Guerard ist eine Kupplerin, aber sie kann ihren Job so erklären, dass er nach langweiliger Büroarbeit klingt: „Ich sitze am Laptop, auf der linken Seite des Bildschirms sehe ich ein großes Profilfoto, auf der rechten viele kleinere.“ Zum Beispiel sieht sie links einen 32-jährigen muskulösen Urlauber, der mit Sonnenbrille und Badehose am Strand liegt, auf der Schulter ein Tattoo. Auf der rechten Seite sind mehrere kleinere Fotos von Frauen. „Es sind zwischen zehn und 15 Frauen, die von einem Algorithmus vorausgewählt wurden.“ Sie selbst sieht nur Fotos. Guerard wählt eine junge Frau mit Nasenring aus und die beiden bekommen eine Nachricht: „Das ist dein Match des Tages.“

Die 25-jährige Französin ist seit September bei Once, das mit seiner Dating-App für das Mobiltelefon ein Gegenstück zum Portal Tinder anbieten will. Statt sämtliche Profile in der Nähe vorzuschlagen, bietet Once jeden Tag einen Partner an, ausgesucht von Menschen wie Amélie Guerard. „Ich habe schon früher im Freundeskreis Menschen einander bekannt gemacht, hier kann ich mein Talent nutzen“, meint sie.

Neben Tinder (2 Millionen Nutzer), Parship (4,5 Millionen Nutzer) und neu.de (11 Millionen Mitglieder) gibt es bereits eine Vielzahl von Datingportalen. Der Markt ist so unübersichtlich, dass sich offenbar auch Betrüger darin tummeln: Erst am Mittwoch hat die Polizei Firmenräume und Wohnungen in Dresden und Berlin durchsucht. Zwei Verdächtige wurden festgenommen, ihnen wurde vorgeworfen mit falschen Frauenprofilen auf der App „Lovoo“ Männer angelockt und Gebühren kassiert zu haben.

„Once“ hat nach eigenen Angaben bisher 100.000 Nutzer in Deutschland, weltweit sollen es rund 1,5 Millionen sein. Die App will sich vor allem mit künstlicher Verknappung von anderen abheben. Während die meisten Portale eine große Auswahl potenzieller Kontakte anbieten, stellt diese App ihren Nutzern jeden Mittag um 12 Uhr nur ein Profil vor. Mindestens 35 Prozent der vorgeschlagenen Paare tauschen laut „Once“ fünf Nachrichten oder mehr aus, das ist die Erfolgsquote, die die App misst.

Bei Manon hat es auf diese Weise geklappt: Die 26 Jahre alte Pariserin saß beim Mittagessen mit Kollegen, als sie Adriens Bild auf ihrem Telefon sah. Sie drückte „gefällt mir“, die erste Nachricht kam von ihm. Er bezog sich auf ihr Rugby-T-Shirt in ihrem Bild: „Ich bin auch Toulouse-Fan, wir sollten gemeinsam zu einem Spiel gehen.“ Zehn Tage später kam es zu dem Spiel. Seit Mitte Dezember sind die beiden ein Paar. „Wir haben so viel gemeinsam, dass es fast beängstigend ist“, sagt Manon. Sowohl sie als auch Adrien lieben die gleichen Filme, Serien, das Reisen, die Sonne, den Strand – zugegebenermaßen alles Dinge, die viele Menschen zwischen 20 und 40 Jahren lieben.

In Onlineforen berichten andere „Once“-Nutzer von der Enttäuschung, nach wochenlangen Vorschlägen niemand Interessantes gesehen zu haben. Um selbst unter mehr als nur einem Profil auszuwählen, muss man eine „Krone“ kaufen. Fünf Kronen kosten fünf Euro.

Paarberater und Single-Coach Eric Hegmann findet, die „Once“-Idee sei „eine sehr interessante Antithese zu der verwirrenden Vielfalt von Wisch&Weg-Flirt-Apps“. Langfristig hat er jedoch Zweifel: „Wir haben uns hier die Freiheit erkämpft, selbst unseren Partner auszuwählen“, sagt er, „und ich glaube, niemand will wieder zurück zu arrangierten Ehen.“

Aber Amélie Guerard arrangiert keine Ehen, sie schaut einfach auf Fotos und ordnet Schicksale einander zu. Dabei achtet sie besonders auf den Hintergrund der Bilder. Ist dort Natur? Glas und Beton? Wie sind die beiden Singles gekleidet?

Jedes „Match“ dauert Amélies Angaben zufolge zwischen 30 Sekunden oder fünf Minuten oder länger. Sie findet nicht, dass sie eine „machtvolle“ Position hat. Sie sagt: „Ich sehe mich eher als hilfreich an.“