Infektionskrankheiten nehmen zu. Die Tigermücke steht dabei im Fokus der internationalen Fachleute

    Sie stammen aus den Tropen und reisen als blinde Passagiere im Gepäck von Touristen oder in Warencontainern nach Europa – Mücken, die unangenehme Krankheiten übertragen. In Europa können sie inzwischen nicht nur gut überleben, sondern sich möglicherweise auch ausbreiten.

    Mehr als 1350 Menschen erkrankten auf Madeira vor vier Jahren am Dengue-Fieber, im gleichen Jahr ereilte die Malaria etwa 50 Menschen in Griechenland, am Chikungunya-Fieber litten 2007 rund 200 Norditaliener und seit Beginn der 2000er-Jahre werden aus mehreren europäischen Ländern immer wieder Ausbrüche von West-Nil-Fieber gemeldet. Warnsignale, dass sich tropische Infektionskrankheiten auch in Europa, in Deutschland ausbreiten können?

    „Der weltweite Reise- und Warenverkehr und möglicherweise auch die sich verändernden Wetterbedingungen begünstigen die Verbreitung und Einwanderung der Mücken, die diese Krankheiten übertragen“, sagt Professor Dr. Rolf Horstmann, Vorstandsvorsitzender des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg. Eine Rückkehr der Malaria schließt er aus, doch eine Einwanderung anderer Erreger sei denkbar.

    Mit mehr als 3500 Arten weltweit sind Stechmücken die größte Gruppe der blutsaugenden Insekten und sie sind, medizinisch betrachtet, die relevantesten Krankheitsüberträger. Rund 50 dieser kleinen Vampire kommen in Deutschland vor. Unter ihnen leben vermutlich auch Tigermücken. In seiner tropischen Heimat überträgt das schwarz-weiß gestreifte Insekt mehr als 20 Viren – unter ihnen Viren des Dengue-, West-Nil- und Gelbfiebers sowie das Zika-Virus. Das Tückische ist, dass sie nicht einmal zusticht und dann satt ist, sondern mehrere Menschen sticht und so Krankheitserreger weitergeben kann. Ihre Stechlust macht die Tigermücke nach der Anopheles-Mücke, die Malaria-Erreger überträgt, und der Gelbfiedermücke zur drittgefährlichsten Mücke weltweit.

    Verbesserte Bedingungen für Mücken durch den Klimawandel

    Mit Sorge betrachtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Ausbreitung der Mücken auch, weil sie das Dengue-Virus verbreiten können und dieses auch offenbar mit Erfolg. Das Dengue-Fieber ist die Infektionskrankheit, die Mücken derzeit weltweit am schnellsten verbreiten. Der Klimawandel, so zeigen Studien, verbessert die Lebensbedingungen der Mücken und die Überlebenschancen des Virus. So schreibt der Weltklimarat in seinem Bericht, dass die Tigermücken in neue Gebiete einwandern. In den vergangenen zwei Jahrzehnten seien, so die Experten, die Überlebensbedingungen für die Tigermücken zudem auch in Nordwesteuropa besser geworden – also auch in Deutschland. „Noch beobachten wir aber keine Ausbrüche dieser Krankheiten, die einheimische Erreger ausgelöst haben“, betont Prof. Horstmann. Auch in Norditalien sind die Chikungunya-Viren offenbar nach dem Ausbruch 2007 wieder verschwunden, obwohl die Tigermücken dort leben.

    Sehr aufmerksam verfolgen die Epidemiologen auch die Ausbreitung des West-Nil-Virus. Seit dieses Virus im Verlauf von nur fünf Jahren ganz Nordamerika eroberte, ist klar, dass das West-Nil-Virus sich auch in gemäßigten Breiten sehr wohlfühlt. Das West-Nil-Virus wurde bislang in Deutschland aber nicht nachgewiesen, wohl aber in Vögeln in Österreich und Ungarn entdeckt. Und Vögel sind, wie die Verbreitung der Krankheit in Nordamerika lehrt, die Wirte, mit denen das Virus einreist. Zugvögel brachten 1999 das Virus mit, das zuerst in New York entdeckt wurde. Mücken nahmen den Erreger aus diesen Tieren auf und übertrugen ihn auf Menschen. Binnen fünf Jahren breitete sich das West-Nil-Virus in den gesamten USA aus und kommt heute überall von Kanada bis Argentinien vor. „Meine Kollegen sind sehr wachsam“, sagt Prof. Horstmann.

    Beobachtet werden die kleinen Vampire seit längerem. Das Überwachungsprogramm für invasive Stechmücken des Bundes „CuliMo“ (Culicidae Monitoring) erfasst ihre Ausbreitung sehr aufmerksam.

    Ob die hier bereits lebenden Mücken tropische Viren in sich tragen und diese übertragen können, wollen die Wissenschaftler des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in einem kürzlich gestartetem Forschungsprojekt „CuliFo“ (Culicidae Forschung) untersuchen. 2,2 Millionen Euro erhalten sie und eine Reihe von Partnerinstituten dafür vom Bundeslandwirtschaftsministerium.

    Impfungen gegen diese Infektionskrankheiten gibt es nicht. Wer sich vor Stechmücken, auch vor den harmloseren einheimischen Genossen schützen will, sollte vor allem an lauen Abenden Mückenabwehrmittel auftragen und langärmlige Hemden sowie Hosen tragen. Das verhindert nicht nur juckende Quaddeln, sondern unter Umständen auch ernsthafte Krankheiten.