Augsburg. Rund 300.000 Verkehrsunfälle im Jahr gehen auf Ablenkung durch Smartphones zurück. Augsburg und Köln testen daher neue Warnsignale.

In der Bahn, auf dem Fahrrad, im Auto, in den Fußgängerzonen – nahezu überall sieht man Menschen mit gesenktem Kopf auf ihre Smartphones starren. Mitunter sind sie derart abgelenkt, dass sie ihre Umwelt nicht mehr wahrnehmen und im Straßenverkehr zur Gefahr werden.

Zwei deutsche Städte testen jetzt, ob spezielle Bodenampeln die Generation „Kopf unten“ vor Unfällen schützen können: In Augsburg sind an zwei Straßenbahnhaltestellen Signalleisten in den Boden eingelassen worden. Wenn eine Straßenbahn einfährt und die reguläre Ampel Rot zeigt, blinken die LED-Leuchten ebenfalls rot auf. Die Fußgänger sollen so auf eine Gefahrenquelle hingewiesen werden. Pro Stück kosten die umstrittenen Ampeln rund 10.000 Euro. In Köln sind mit einer ähnlichen Technik bereits drei Haltestellen ausgestattet worden.

Obwohl der Kopf nach unten aufs Handy-Display gerichtet ist, kann der Smartphone-Nutzer das Rotsignal erkennen – das ist die Idee hinter der Bodenampel.
Obwohl der Kopf nach unten aufs Handy-Display gerichtet ist, kann der Smartphone-Nutzer das Rotsignal erkennen – das ist die Idee hinter der Bodenampel. © dpa | Thomas Hosemann

Ob das System etwas bringt? Verkehrsforscher Professor Michael Schreckenberg (Uni Duisburg-Essen) ist überzeugt: Blinkende Bodenlichter als Warnsignal für Fußgänger in Handytrance seien bestenfalls bedingt tauglich. „Es blinkt ja ohnehin ständig auf den Handydisplays, da geht so ein Signal ,von außen‘ unter“, so Schreckenberg. „Wichtig ist, dass die Warnsignale direkt aufs Handy gespielt werden, durch optische Zeichen oder beispielsweise Vibrationen.“ Durch die fortschreitende Vernetzung könnten entsprechende Techniken bald zur Verfügung stehen. Allerdings werden Unfälle, die auf die Nutzung von Smartphones im Straßenverkehr zurückgehen, von der Polizei nicht gesondert erfasst. Dabei kann der Blick aufs Smartphone während der Fahrt mit einem Bußgeld von 60 Euro und einem Punkt in Flensburg enden. Für Fußgänger ist das Starren aufs Display jedoch nicht verboten.

Viele Unfälle gehen auf Handynutzung zurück

Verkehrsforscher Schreckenberg spricht von einem „eingeschliffenen Verhalten“ insbesondere bei den jüngeren Handynutzern. In den USA war eine Konsequenz aus dieser Erkenntnis, dass Verkehrsbetriebe ihre Busse mit Lautsprechern ausstatteten, die bei jedem Abbiege-Vorgang Passanten mit den Worten „Fußgänger, der Bus biegt ab!“ warnten. „Hierzulande beobachten wir ein ähnliches Phänomen“, sagt Schreckenberg. „Vor allem die Jüngeren kriegen schon Panik, wenn sie mal nicht online sind. Man sollte deshalb schon in der Schule sehr, sehr deutlich machen, wie gefährlich die Handynutzung im Verkehr ist.“

Kommentar: Bodenampel für Fußgänger– geht’s noch?

Das ganze Ausmaß der Ablenkung durch Handys bildet eine jüngst veröffentlichte Studie der Dekra-Unfallforschung ab. In sechs europäischen Großstädten waren 14.000 Fußgänger beobachtet worden – jeder Sechste hantierte beim Überqueren der Straße mit seinem Handy herum. Verkehrsforscher warnen davor, Handys im Straßenverkehr zu nutzen. Von den 2,4 Millionen Verkehrsunfällen in Deutschland gehen, so Schreckenberg, mindestens 300.000 pro Jahr auf die Ablenkung durch Handys zurück. „Das entspricht einem Blutalkoholspiegel von 0,8 Prozent“, so Schreckenberg weiter. Wer nur eine Sekunde nicht auf die Straße schaue, lege bei 50 km/h ganze 14 Meter im Blindflug zurück.

„Ein tödlicher Leichtsinn“, sagt Christian Hieff, Sprecher des ADAC Hansa. „Unsere Studien zeigen, dass Ablenkung am Steuer Ursache für mindestens jeden zehnten Unfall ist.“ Alle Verkehrsteilnehmer seien gefragt, das Sicherheitsproblem zu erkennen und ihr Verhalten zu ändern.

Berlin zum Beispiel will im Gegensatz zu Augsburg keine Ampeln im Boden vor Straßenbahnhaltestellen installieren. Die Stadt plane derzeit nicht, die sogenannten „LaneLights“ flächendeckend einzuführen, hieß es aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.