Es ist ja so einfach: Ich geh ins Internet, nenne das Konto „Horst-Krause-forever“ und setze Erdogan als Scheindirektor ein. Aber irgendwas fehlt noch ...

Ein Leak ist immer ein Ereignis. Plötzlich geraten Namen und Nasen in die Öffentlichkeit, die sich bisher in einer vermeintlich sicheren, kuscheligen Nische verborgen hielten. Aber wie die Panama Papers zeigen, kann man sich heute nicht mal mehr in diesem kleinen mittelamerikanischen Staat sicher fühlen, der eigentlich nur aus Kanalufer besteht; oder auf den britischen Jungferninseln, mehr als 60 Inseln und Riffs in der Karibik, die man auf Google Maps erst mal suchen muss. Eine der Inseln heißt übrigens Beef Island. Ich wusste gar nicht, dass man Briefkastenfirmen auch auf einem Steinkorallenriff gründen kann, aber bitte.

Eine ganze Reihe deutscher und auch Hamburger Banken hat laut Berichten der internationalen Recherchegruppe ICIJ Offshore-Firmen mitgegründet und verwaltet, als Dienstleistung für ihre Kunden. Darunter die Commerzbank, HSH Nordbank, Berenberg Bank, sogar die genossenschaftliche DZ Bank. Ich hatte erwartet, dass auch meine Bank mir ein solches Angebot machen würde, muss hier aber leider bestätigen, dass dies nicht der Fall war. Dabei ist das Gründen einer Briefkastenfirma total einfach, so wie Pizza bestellen, jedenfalls einfacher als das Beantragen einer HVV-Monatskarte.

Ich habe „Offshore-Firma gründen“ gegoogelt und stieß auf zahlreiche Anbieter, die gerne helfen. Eine Offshore-Gesellschaft ist ja völlig legal, erst mal. „Warum besitzt der Begriff „Offshore-Firma” einen so schlechten Ruf?“, steht etwa auf der Seite der „Privacy Management Group“. Antwort: „Die Beantwortung dieser Frage ist an dieser Stelle nicht vollständig zu beantworten. Es fehlt schlichtweg der Platz dazu.“ Aha. Glückwunsch zum guten Deutsch. Ein paar Gründe werden dann doch genannt: „Die Gesetzgebung in Offshore-Staaten ist häufig unbürokratischer und liberaler, zumindest im Vergleich mit Firmen in Europa; ... wenden Sie sich an Spezialisten, die Ihre Sprache sprechen!“ In Aussicht gestellt wird ein „Full Banking Service“, gute Offshore-Plätze seien Panama, Zypern, Cook Islands, Seychellen, Belize und die Vereinigten Arabischen Emirate. Alles sonnige Standorte.

Man kann eine Briefkastenfirma aber auch ohne Full-Ban­king-Geschwurbel einfach online gründen, wie es der Journalist Christoph Lütgert in ARD-„story“ vorgemacht hat. Ein paar simple Angaben zur Person in einem Online-Formular ausfüllen, absenden. Kosten: 3000 Euro, seine Firma nannte Lütgert „Antje Overseas“. Geschäftsführer sind nach außen hin drei Strohmänner oder andere Briefkastenfirmen. Lütgerts Name taucht nirgendwo auf, aber er hat ein Konto und einen Scheindirektor.

Das klingt verlockend. Wie würde ich meine Briefkastenfirma nennen? „Max & Moritz Ltd“? „Horst-Krause-forever“? „Lisbeth Salander Corporation“? Viele Menschen scheitern ja schon an vernünftigen Facebook-Namen („Susi66“). Am besten wäre wohl „Hier-einzahlen-Company“. Wen setze ich als Scheindirektor ein? Bernd Höcke, nur so aus Spaß? Lieber nicht, womöglich will der ein Gehalt haben. Angela Merkel, das klänge seriös. Oder Constantin von Oesterreich, Vorstandschef der HSH Nordbank? Ich hab’s: Recep Tayyip Erdogan! Ach du Schande: Wäre das schon Satire?

Offenbar befände ich mich als Inhaberin einer Briefkastenfirma in fast ausschließlich männlicher Gesellschaft. Sergej Roldugin, in den 80ern mal Erster Cellist des Moskauer Kirov-Theaters, ist mit Musik weniger aufgefallen als mit Beteiligungen an der Rossya Bank und als Patenonkel von Putins Tochter und sieht aus wie ein langjähriger Dracula-Darsteller. Den Namen von Islands Regierungschef Sigmundur Davíð Gunnlaugsson kann sich eh kein Mensch merken. Dass der saudische König zusätzlich noch Offshore-Konten hat, wundert keinen. Aber Mahmud Ahmadinedschad? Das ist jener iranische Ex-Präsident, der immer gern die Vernichtung Israels androhte. Darf ein fundamentalistischer Schiit überhaupt Zinsen einstreichen, womöglich aus Spirituosen-Aktien? Das sieht nach gewaltigem Ärger aus daheim in Teheran. Und woher kam das Anlagevermögen?

Zugegeben, ich wäre gern die Quotenfrau unter den Offshore-Besitzern. Das Einzige, was mir noch fehlt, um es in meiner Briefkastenfirma zu bunkern, ist das Geld.