Berlin.

Der Markt für Fahrräder und Zubehör in Deutschland wächst. Nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) haben Verbraucher im vergangenen Jahr mehr als fünf Milliarden Euro dafür ausgegeben, etwa die Hälfte davon für den Kauf neuer Räder. Der Zuwachs gegenüber 2014 betrug zwölf Prozent. Der durchschnittliche Verkaufspreis pro Rad lag bei 557 Euro (plus 5,5 Prozent). Vor allem das etwa dreimal teurere, aber bequeme Gefährt mit unterstützendem Elektromotor, das Pedelec, befeuert das Geschäft. Knapp 2,5 Millionen Stück sind dem ZIV zufolge auf Deutschlands Straßen unterwegs. Mit immer neuen technischen Finessen buhlen die Hersteller um Kunden.

Die Schaltung

Ob mechanisch oder elektronisch: Bei Pedelecs und Freizeiträdern gelten Getriebeschaltungen mittlerweile als erste Wahl. Grund dafür ist die höhere Zuverlässigkeit und der niedrige Aufwand für die Wartung. Die Technik wiegt zwar mehr als die einer Kettenschaltung, die Bauteile aber schrumpfen. Der größte Vorteil: Sie sind eingekapselt und somit weniger anfällig für Verschleiß. Zunehmend treiben Ingenieure die Entwicklung voran, die früher für die Automobilindustrie oder Zulieferer gearbeitet haben, etwa für den Sportwagenhersteller Porsche.

Vor allem im Pedelec-Segment könnten sich mittelfristig die in Nabe oder Tretlager integrierten elektronischen Getriebe durchsetzen. Derzeit gibt es sie mit neun, elf, 14 oder sogar 18 Gängen und einem Übersetzungsumfang von bis zu 600 Prozent. Das bedeutet: Das Spektrum zwischen leichtestem und schwerstem Gang ist immens groß.

„Besonders interessant an diesen Schaltungen ist nicht, dass sie elektronisch sind. Elektronische Schaltungen gibt es seit etwa 15 Jahren“, sagt Stephan Behrendt, Technikexperte beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Verlockend für Kunden seien die Annehmlichkeiten der zunehmenden Automatisierung.

Etwas überspitzt gesagt, sind die Produkte auf dem Weg, „intelligent“ zu werden. „Das geht so weit, dass die Schaltung in Kombination mit dem Motor immer den passenden Gang zur Trittfrequenz findet, eine Fahrweise wählt, die den Akku schont oder automatisch in einen niedrigen Gang schaltet, wenn Radler an einer roten Ampel stehen, um das Anfahren zu erleichtern“, erklärt Behrendt. Doch auch bei den klassischen Kettenschaltungen gibt es Neues: Erstmals wird in diesem Jahr eine elektronische Radschaltung kabellos per Funk gesteuert.

Die Getriebe-Innovationen folgen dabei „einem allgemeinen Trend“, sagt Arne Bischoff, Technikexperte beim Pressedienst Fahrrad. „Das Gerät soll den Nutzern jenseits von Lenken und Treten so viele Aufgaben abnehmen wie möglich.“

Der Bordcomputer

Laut ZIV haben die Hersteller im Jahr 2015 mehr als 530.000 Pedelecs in Deutschland verkauft, 11,5 Prozent mehr als 2014. Mit einem leicht gestiegenen Marktanteil von 12,5 Prozent „unterstreicht es seine wichtige Rolle in der Alltagsmobilität“, teilt der ZIV mit. Mittelfristig rechnet der Verband mit einem jährlichen Anteil des Pedelecs am Gesamtmarkt von über 15 Prozent. „Auch wir glauben, dass der Trend anhält“, sagt Arne Bischoff. Zum Vergleich: Die meisten verkauften Räder 2015 waren Trekking- oder Stadträder (zusammen 54 Prozent).

Die technischen Fortschritte beim E-Fahrrad sind gewaltig. Motoren und Akkus sind mitunter so verbaut, dass sie auf den ersten Blick kaum noch zu erkennen sind. Und die Reichweiten der Batterien steigen. Weil sie aber nach wie vor abhängig sind von der Fahrweise des Nutzers, bleibt die verlässliche Berechnung problematisch. Die Industrie reagiert darauf mit immer intelligenteren Bordcomputern. „Die Funktionen nehmen deutlich zu, jedes Jahr kommen neue hinzu“, sagt Bischoff. Geschwindigkeit, Fahrweise, Höhenprofil – Sensoren messen laufend Daten. „Manch Cockpit-Computer berechnet diese alle mit ein und zeigt dem Fahrer genau an, wie weit er mit seiner Akku-Restlaufzeit kommt“, sagt Stephan Behrendt.

Noch sind die Geräte relativ teuer, kosten bis zu 500 Euro, aber auch hier seien sinkende Preise zu erwarten. Zudem steigt die Anzahl der Smartphone-Apps, die sich mit der Radtechnik synchronisieren lassen und den Fahrradcomputer ersetzen können.

Konkurrenz für die Kette

Wer sich durch Internet- oder Blogseiten von Herstellern klickt, stellt fest: Selbst ehemalige Kritiker kommen nicht mehr an dem vor Jahren entwickelten Riemenantrieb vorbei. Ist also das Ende der Kette in Sicht?

Bisher war der Riemenantrieb vor allem im hochpreisigen Segment ein Thema. Doch das ändert sich. Die Nachfrage steigt, die Preise sinken. „Der Riemen macht ein Rad in Kombination mit einer Naben-, Tretlager- oder Rahmenschaltung wirklich sehr wartungsarm“, sagt Arne Bischoff. Attraktiv sei das vor allem für Jedentagfahrer – für Menschen also, die das Fahrrad als Pendlermobil nutzen. Der Riemen läuft leiser als eine Kette, er rostet nicht, muss nicht geölt werden und längt sich nicht durch Gebrauch. Kurzum: Er hält länger und funktioniert in der Regel auch noch nach Tausenden gefahrenen Kilometern. „Mittlerweile gibt es auf dem Markt auch selbstreinigende Riemen“, sagt Bischoff. Diese hätten die durch extreme Verschmutzung verursachten Probleme der Vergangenheit gelöst.

Ein Nachteil des Riemens ist aus Sicht des ADFC der technische Aufwand bei möglichen Reparaturen. Und auch damit müssten Verbraucher leben: „Der endlose Riemen ist an eine Getriebeschaltung gebunden. Und alte Kettenräder lassen sich nicht umrüsten, weil der Rahmen einen zu öffnenden Hinterbau aufweisen muss“, sagt Stephan Behrendt.