Hamburg. Spektakulärer Vorstoß bei Tagung in Hamburg. In der City gibt es in zwei Jahren keinen Platz für Wohnprojekte mehr

Bei der Suche nach Standorten für neue Wohnviertel muss Hamburg jetzt mit Tabus brechen: Das ist die zentrale Forderung von rund 60 Architekten und Stadtplanern, die auf Einladung der Hamburgischen Architektenkammer drei Tage lang nach Lösungen für die Unterbringung von Zehntausenden Flüchtlingen gesucht haben, die Hamburg in den nächsten Jahren noch erwartet.

„Die möglichen Flächen reichen nur noch zwei Jahre“, sagte Kammer-Vizepräsident Berthold Eckebrecht am Freitag bei der Präsentation der Arbeitsergebnisse: Man müsse deshalb neue Wege gehen, forderte er und nannte als Beispiel das Messegelände in der Innenstadt. Nach Ansicht der Architekten könnte es Standort eines neuen Stadtteils werden. Es sei bestens mit dem öffentlichen Nahverkehr erschlossen, liege zentral und nicht abgelegen wie manche der jetzt angedachten Flüchtlingsunterkünfte. „Wir fragen uns, ob Hamburg es sich leisten kann, ein Areal für eine Messe zu nutzen, wo an vielen Tagen im Jahr nicht einmal das Licht angeht“, sagte der Hamburger Stadtplaner Volker Rathje.

Das Messegelände ist jedoch nicht die einzige Fläche, die von den Planern ins Visier genommen wurde, sondern auch der Hafen und speziell der Kleine Grasbrook, wo das Olympia-Zentrum geplant war. Eine eigene Arbeitsgruppe entwickelte dazu spezielle Ideen, wie man diesen Hafenteil zu einem neuen Stadtteil umbauen kann. Anders als bei der HafenCity müsse es hier eine rasche und schrittweise Entwicklung geben, sagt Kammerpräsidentin Karin Loosen. In vorhandenen Hafengebäuden könnten schnell Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden, während drumherum und Stück für Stück ein Stadtviertel gebaut wird. Loosen: „Nachdem es mit Olympia nicht geklappt hat, bieten nun die Flüchtlinge die Chance, Hamburg dort weiterzuentwickeln.“

Darüber hinaus schlagen die Planer vor, auch in Richtung Umland neue Siedlungsgebiete zu entwickeln. Das alte Leitbild zur Entwicklung der „inneren Stadt“ reiche nicht mehr aus. So fordern die Planer zwei neue Siedlungsachsen Richtung Bergedorf und Stade, die sich an den vorhandenen S-Bahn-Strecken orientieren. Noch steht dort oft der Naturschutz im Weg. „Doch auch darüber muss man nun neu nachdenken“, so Stadtplaner Rathje.

Die Architekten nahmen auch die aktuell geplanten Expressbau-Areale für Flüchtlinge unter die Lupe. Fazit: Manche lehnen sie ab, andere sollten auch größer sein als bisher geplant.

Seite 16 Die Krise als Chance