Berlin.

35.000 Deutsche sterben jährlich an den Folgen von Luftverschmutzung, berichtete vor Kurzem ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Nature“. Die Weltgesund­heitsorganisation WHO geht von jährlich sieben Millionen Toten weltweit aus. Der gesundheitsschädlichste Teil ist nach Einschätzung der Experten Feinstaub. Die feinen Partikel sind meist nur 0,1 Mikrometer – also ein zehntausenstel Millimeter – groß und mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Gerade diese ultrafeinen Stückchen sind jedoch besonders gefährlich.

Wie entsteht
Feinstaub?

Als Fein- oder Schwebstaub bezeichnet das Umweltbundesamt Teilchen in der Luft, die nicht sofort zu Boden sinken, sondern eine Zeit lang in der Atmosphäre verweilen. Meist bleiben sie unsichtbar, in bestimmten Wetterlagen bilden sie jedoch eine Art Dunstglocke. „In Deutschland sorgen meist Abgase der Industrie, von landwirtschaftlichen Betrieben und Kraftwerken, für Feinstaub“, sagt Dr. Andreas Meyer, Leiter des Lungenkrebszentrums der Kliniken Mariahilf in Mönchengladbach.

An viel befahrenen Straßen sind neben dem Abrieb von Reifen, Bremsen oder dem Straßenbelag vor allem schlecht gefilterte Dieselabgase das Problem. „In Innenräumen sind Rauchen und Passivrauchen die Gefahrenquellen Nummer eins“, erklärt Meyer.

Weshalb ist Feinstaub
gefährlich?

Während die Nasenhärchen manch grobe Partikel auffangen können, gelangen die sehr feinen, weniger als 0,1 Mikrometer großen Partikel über die kleinsten Lungengefäße in die Blutbahn. „Durch die ansteigende Feinstaubbelastung in der Umwelt kommt es zu gesundheitlichen Problemen“, erklärt Dr. Kaid Darwiche, Internist und Pneumologe im Westdeutschen Lungenzentrum Ruhrlandklinik. „Riskant ist auch die Verbindung der Teilchen mit krebserregenden Stoffen“, ergänzt Andreas Meyer, „hierzulande gibt es für Feinstaub keinen Grenzwert wie etwa für Ozon oder Schwefeldioxid.“

Wie belastet er Lunge und
Herz-Kreislauf-System?

„Wir Lungenärzte stellen fest, dass sich bei einer hohen Feinstaubbelastung viele Menschen mit Atemweginfektionen in den Kliniken melden“, sagt Andreas Meyer. Sein Kollege Darwiche führt aus: „Durch die Partikel kann sich in den Bronchien eine Entzündung entwickeln, die sich auch auf andere Organe auswirkt.“ Die chronische Bronchitis gehört nach seinen Worten zu den häufigsten Erkrankungen in diesem Zusammenhang. Da die Partikel aber über die Blutbahn ins Herz gelangen können, sind auch Herzkranzgefäßverkalkungen, Herzmuskelentzündungen oder -infarkte mögliche Folgen. Dr. Dennis Wolf von der Klinik für Kardiologie und Angiologie des Universitäts-Herzzentrums Freiburg-Bad Krozingen, dazu: „Wir konnten bei Mäusen zeigen, dass selbst eine einmalige Feinstaubbelastung zu größeren und entzündlicheren Herzinfarkten führt.“ Wolf wurde für seine Forschungsergebnisse von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie ausgezeichnet.

Sind Kinder und Menschen, die schon
erkrankt sind, besonders betroffen?

Ja – da sind sich die Experten einig. „Bei Feinstaubkonzentrationen, die gesunde Erwachsene noch nicht bemerken, können Kinder akut an den Bronchien erkranken“, sagt Darwiche. „Und die Situation von Menschen mit Bronchialproblemen oder Asthmatikern kann sich deutlich verschlechtern.“

Wie kann man sein Krankheitsrisiko möglichst gering halten?
Ans Meer oder in die Berge fahren – lautet knapp der Rat des Pneumologen Andreas Meyer. Da lässt sich auch auf den Karten des Umweltbundesamtes (siehe Kasten) die niedrigste Feinstaubbelastung in Deutschland feststellen. Man könne sich laut Meyer auch politisch dafür engagieren, dass Dieselautos künftig bessere Filtersysteme erhalten. „Umweltzonen in Städten sind in diesem Zusammenhang ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt der Experte. Unisono raten Meyer und Darwiche vom Rauchen ab.

Welche Therapien gibt es für
Krankheiten, die entstehen können?

Herzpatienten sollten mit ihrem Kardiologen eine individuelle Strategie besprechen. Lungenärzte können in einem ersten Schritt durch Inhalationen dabei helfen, verengte Bronchien zu erweitern. Meyer erklärt: „Bei einer akuten Verschlechterung einer chronischen Bronchitis (COPD) muss manchmal auch Kortison eingesetzt werden. Und wenn die Schleimhäute ihre Abwehrfunktion nicht mehr ausüben, können Antibiotika notwendig sein.“

Denn dann müssten Bakterien bekämpft werden, die sich ausbreiten und Entzündungen verursachen. Für Kaid Darwiche gehört auch das Lungenemphysem (eine teilweise Zerstörung von Lungenbläschen) zu einer möglichen Folge von Feinstaubbelastungen. „Das bedeutet, dass Patienten nicht mehr richtig ausatmen können. Ihre Lunge, die dadurch wie aufgebläht ist, kann mithilfe neuer Therapieverfahren – etwa durch gezielt eingesetzte Ventile – ,entlüftet‘ werden.“ Parallel dazu empfiehlt er, Muskeln durch Krafttraining aufzubauen, um dem Muskelabbau entgegenzuwirken.