Und wie ist er nun, der Hamburger Kino-„Tatort“ mit Til Schweiger? Der Film spielt nicht nur in der Hansestadt, er bietet auch viel Action

Der Film ist etwa zur Hälfte vorbei, da sitzen Nick Tschiller und sein etwas zarter besaiteter Kollege Yalcin Gümer in einem russischen Folterkeller und fachsimpeln über die deutsche Grammatik. Der Keller sieht genauso aus, wie man ihn sich vorstellt – wie überhaupt vieles in diesem Film exakt so aussieht, wie man es sich so vorstellt.

Tschiller und Gümer sind auf ihre Stühle gefesselt, vor ihnen ein Tisch mit den üblichen Instrumenten aus dem Baumarkt. Es tropft von der Decke, die Lage könnte angenehmer sein. Zeit, sich noch einmal in die Augen zu blicken und sich große Dinge zu sagen, bevor das Böse anrückt. „Du bist der beste Polizist Hamburgs“, sagt also Tschiller zu Gümer. Darauf Gümer: „Gewesen. Präteritum.“ Und Tschiller: „Nein. Perfekt.“

Es ist eigentlich der einzige Moment in der Geschichte, der Dialogwitz birgt. Dass er so auffällt, verweist gleichzeitig auf das zentrale Problem: Denn bei allem Munitionsverschleiß und bei allem Männerfreundschaftspathos bräuchte es das Gegengift der Selbstironie, um über eine Strecke von mehr als 140 Minuten zu funktionieren. Aber Nick Tschiller kann nicht aus seiner Haut: Humor ist nicht sein Fach. Stattdessen liefert er verlässlich, was man von ihm kennt: Schlägereien, quietschende Autoreifen, exzessiven Schusswaffengebrauch, Hauptsätze und ein Pflaster auf der Stirn.

Auf seinen Darsteller Til Schweiger, der gerade erst erklärte, er traue sich übrigens auch die Rolle des James Bond zu, ist ebenso Verlass, wenn auch in anderer Hinsicht. Die letzten Vorgängerfolgen dieses Kino-„Tatorts“ waren im Januar gerade gesendet worden, da übte sich Schweiger auf seiner Facebook-Seite zu vorgerückter Stunde in Kritikerbeschimpfung. Über die „Trottel, die darüber schreiben“ giftete er selbstbewusst in seiner Eloge auf den Regisseur Christian Alvart, über Leute, die „nicht zugeben, dass du was aussergewöhnliches geschaffen hast“, und zwar „weil sie schwach und klein sind“.

Auch im Vorfeld von „Tschiller: Off Duty“ war Schweigers Dünnhäutigkeit gegenüber skeptischen Stimmen wieder deutlich zu spüren: Nur handverlesene, verlässlich freundliche Menschen durften den Film vor dem Start sehen. So etwas hat es bei Schweiger schon häufig gegeben und verwundert nicht mehr groß. Dass aber der mitproduzierende NDR nichts gegen diese Praxis unternommen hat, wirft Fragen nach dem Transparenzbegriff einer öffentlich finanzierten Sendeanstalt auf.

Acht Millionen Euro umfasst das Budget für „Tschiller: Off Duty“. Seit den beiden Schimanski-Krimis „Zahn um Zahn“ (1985) und „Zabou“ (1987) ist „Tschiller: Off Duty“ erst der dritte „Tatort“, der seine Premiere auf der großen Leinwand feiert – in 30 Jahren. Dahinter mag die Erkenntnis lauern, dass die abendliche Fernsehunterhaltung doch anderen Gesetzen gehorcht als die große Erzählung im Kino, die mehr Aufmerksamkeit einfordert und diese oft auch stärker belohnt.

Seinen Titel trägt der Film jedenfalls nicht nur, weil der Hamburger Ermittler vom Dienst suspendiert wurde. Er spielt auch abseits seiner gängigen Hamburger Pfade. Am Anfang macht sich, ohne Papas Wissen natürlich, Tschillers Tochter Lenny (Schweigers Tochter Luna) auf den Weg nach Istanbul, um dort mal eben Firat Astan (Erdal Yildiz) zu ermorden – den Hamburger Clanchef, der am Ende der letzten Folge an die Türkei ausgeliefert wurde und verantwortlich für den Tod ihrer Mutter ist. Er sitzt dort nicht im Gefängnis, sondern spaziert fröhlich herum und kungelt mit der ortsansässigen Großkriminellenszene, Schwerpunkt internationaler Mädchenhandel. So jemandem also hält die 17-Jährige zitternd eine schallgedämpfte Pistole ins Gesicht, die sie nach ein paar Mails ohne weitere Umstände vom Taxifahrer im neutralen Umschlag überreicht bekam, als handelte es sich um einen Börek vom Lieferdienst.

Das Unwahrscheinliche, mitunter Hanebüchene ist von Anbeginn fester Bestandteil der Dramaturgie. Dagegen wäre gar nichts einzuwenden, wenn sie sich nicht immer wieder mit heiligem Ernst maskieren würde. Und ja: Das ist auch möglich, wenn es um so etwas Dramatisches geht wie die Entführung einer Tochter. Denn der türkische Großkriminelle Süleyman Seker (Özgür Emre Yildirim) hat, nachdem Lenny überwältigt wurde, nichts Besseres zu tun, als die Tochter eines deutschen Kriminalbeamten zusammen mit anderen Mädchen in einen Container zu pferchen und ins russische Sotschi zu verschiffen. Zweifellos die perfekte Strategie, um ungestört den eigenen Geschäften nachgehen zu können.

Solche Ungereimtheiten versucht der Film mit einer Überdosis Action auszugleichen. Patronenhülsen fliegen durch die Luft wie Konfetti, Autos werden durch Kornfelder geschoben und man hetzt über die Dächer Istanbuls, während sich im Hintergrund postkartengleich der Bosporus präsentiert. Von „Schauwerten“ hat Schweiger gesprochen – man muss zugestehen, dass er und Regisseur Alvart dieses Fach beherrschen. Aber ein paar inhaltliche Werte hätte man sicher nicht vermisst.

Der Film läuft in folgenden Hamburger Kinos: Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Blankeneser Kino, Hansa Studio, Passage, Studio Kino, UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek