München/Seoul.

1,5 Millionen Menschen in Deutschland sind an einer Demenz erkrankt, der größte Teil von ihnen leidet an Alzheimer. Bedingt durch die weiter steigende Lebenserwartung rechnet die Deutsche Alzheimer Gesellschaft bis zum Jahr 2050 mit einer Verdopplung der Alzheimerpatienten. Angesichts dieser Prognose wundert das Ergebnis einer Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK kaum: Demnach hat jeder zweite Deutsche Angst, an Demenz zu erkranken – vor allem die über 60-Jährigen.

Mediziner sprechen vomvielversprechendsten Ansatz

Beim Kampf gegen Alzheimer setzen Wissenschaftler die größten Hoffnungen auf eine Impfung. „Man kann den Gedächtnisverlust mit der Impfung aufhalten“, fasst Christian Haass, Leiter des Deutschen Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen, entsprechende Studienergebnisse zusammen. Auch der Direktor der Klinik für Psychiatrie des Uniklinikums München, Peter Falkai, spricht vom derzeit vielversprechendsten Ansatz. Eine Prognose, wann und ob Alzheimer gut behandelt oder gar geheilt werden könne, ist den Medizinern zufolge aber derzeit unmöglich. „Wenn es gut läuft, ist es in zehn Jahren möglich, Menschen in einer frühen Phase auf Kassenkosten zu impfen“, sagt Hans Förstl, Direktor der Klinik für Psychiatrie des Klinikums der Technischen Universität (TU) München. Falkai spricht von zehn bis 15 Jahren.

Zwar handelt es sich bei Alzheimer nicht um eine Infektion, der Mechanismus der Impfung funktioniert aber ähnlich – über eine Immunisierung gegen das sogenannte Peptid Amyloid. Dieses bildet als Abbauprodukt im Gehirn Eiweißplaques, die den Gedächtnisverlust verursachen. Die Plaques stören die Reizübertragung zwischen Hirnzellen. In der Folge werden diese funktionsuntüchtig und sterben ab. Nach der Impfung aktivieren Antikörper Fresszellen, die Plaques entfernen.

Bei Mäusen habe sich gezeigt, dass die Plaques durch die Impfung aufgelöst werden, sagte Haass. Dieses Ergebnis hätten auch erste Studien an Patienten erbracht. Bei bereits länger erkrankten Patienten aber habe sich der Gedächtnisverlust nicht stoppen lassen. „Wenn wir den Zeitpunkt verpasst haben, bei dem die Kettenreaktion beginnt, ist es zu spät“, sagt Haass.

Hoffnung macht Alzheimerforschern auch ein neu entdecktes Molekül, das offenbar die krankheitsverursachenden Ablagerungen im Gehirn beseitigen kann. Südkoreanischen Wissenschaftlern gelang es jetzt, die Gedächtnisleistung bei erkrankten Mäusen mithilfe des Moleküls EPPS deutlich zu verbessern, wie das Team um YoungSoo Kim vom Korea Institute of Science and Technology (KIST) in Seoul im Fachjournal „Nature Communications“ berichtet. Zunächst testeten die Wissenschaftler EPPS im Reagenzglas, wo die Substanz die Plaques größtenteils auflöste. Anschließend untersuchten sie Mäuse, deren Gehirn Ablagerungen enthielt, die denen von Alzheimerpatienten ähneln. EPPS verhinderte in den Versuchen die Entstehung neuer Plaques und beseitigte auch bestehende Ablagerungen. Daraufhin besserte sich die geistige Leistungsfähigkeit der Tiere merklich.

Der Neuropathologe Armin Giese von der Universität München, der an der Studie nicht beteiligt war, sieht allerdings auch Schwächen: „In den Versuchen wurden deutlich höhere EPPS-Konzentrationen im Reagenzglas verwendet, als schlussendlich im Gehirn der Mäuse gemessen wurden. Fraglich ist daher, ob der angenommene Wirkmechanismus der Substanz im Laborversuch auch auf die Anwendung im Tierversuch oder später beim Menschen übertragbar ist“, sagte er.

Ein Problem bei der Suche nach Substanzen zur Bekämpfung von Alzheimer sehen Forscher im Fehlen von Biomarkern. Das sind Substanzen, anhand deren Veränderung Erfolg oder Misserfolg von Therapien bewertet werden kann. So ist etwa Cholesterin ein Biomarker, um das Risiko für koronare Herzerkrankungen oder Schlaganfälle zu bewerten.

Seit Jahrzehnten suchen Wissenschaftler nach einer Substanz, die die Plaques im Gehirn beseitigen kann. Bisherige Behandlungsformen, etwa mit Antidementia oder der MAKS-Therapie aus Bewegung, Gedächtnistraining und Ergotherapie können den Verlauf der Erkrankung abmildern, aber nicht aufhalten. Die Entwicklung eines Medikaments dauert im Normalfall viele Jahre. Nur die wenigsten Substanzen, die im Laborversuch vielversprechend aussehen, erweisen sich später als erfolgreich.