Kreis Segeberg . In Norderstedt und im Kreis Segeberg werden Menschen gesucht, die den Minderjährigen auf der Flucht ein Zuhause geben.

Sie stellen die Städte und Kommunen des Kreises vor eine Herausforderung: Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. 380 Mädchen und Jungen ohne Eltern oder Angehörige sind seit dem Sommer im Kreis Segeberg angekommen. Etwa 200 von ihnen wohnen in der Zentralen Erstaufnahme der Gemeinde Boostedt, die übrigen in Häusern und Wohnungen der Jugendhilfe im Kreisgebiet. Doch die Aufnahmemöglichkeiten sind jetzt nahezu erschöpft.

„Die Erstaufnahme in der Gemeinde Boostedt ist eigentlich kein Ort für junge Menschen“, sagt Manfred Stankat, Leiter des Kreisjugendamtes. Er und seine Mitarbeiter wollen deshalb einen anderen Weg gehen: Gesucht werden Gastfamilien für die minderjährigen Flüchtlinge.

Infrage kommen Familien, Paare oder auch Einzelpersonen. Bei der großen Mehrzahl der Minderjährigen handelt es sich um männliche Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren, die vor allem aus Syrien, Afghanistan, Eritrea, aber auch aus dem Iran nach Deutschland gekommen und schließlich im Kreis Segeberg gelandet sind. Mädchen gehen in der Regel nicht oder nur sehr selten alleine auf die Flucht. Die Mitarbeiter des Jugendamtes wissen, dass es für die Gasteltern oft keine leichte Aufgabe sein wird, die ausländischen Jugendlichen in das hiesige Leben zu integrieren. „Die Gasteltern sollten für alle Probleme offen sein“, sagt Anette Kruse vom Kreisjugendamt. Kaum einer der Jugendlichen spricht zum Beispiel ausreichend Englisch. Bei ihrer Aufgabe werden die Gastfamilien jedoch nicht alleine gelassen: Das Kreisjugendamt bereitet sie auf ihre Aufgabe vor, außerdem gibt es einen amtlich bestellten Vormund, der mindestens einmal im Monat in die Familien kommt.

Acht Familien aus dem Kreis Segeberg haben schon jugendliche Flüchtlinge aufgenommen. Für alle sei es eine Bereicherung, sagt Anette Kruse. Aber alle hätten auch festgestellt, dass zunächst ein großer Zeitaufwand nötig sei, um die Jugendlichen mit dem Leben in der Familie und in der Gesellschaft vertraut zu machen.

Das Engagement einer Gastfamilie ist in der Regel zeitlich befristet. Erfahrungswerte gibt es kaum, aber die Behörde rechnet mit Aufenthaltsdauern von einigen Monaten bis zu drei Jahren. Das Jugendamt begleitet die Gasteltern nicht nur fachlich, sondern auch finanziell. Dazu hat der Jugendhilfeausschuss des Kreises Segeberg während seiner Sitzung am vergangenen Donnerstag eine „Richtlinie für Hilfen zur Erziehung in Gastfamilien, insbesondere für ausländische Kinder und Jugendliche nach unbegleiteter Einreise“ beschlossen.

Wer einen jugendlichen Flüchtling in der Familie betreut, erhält einen Zuschuss von 700 Euro vom Kreis Segeberg pro Monat. Diese Zuwendung sollte nach Ansicht von Manfred Stankat jedoch kein alleiniges Kriterium für die Entscheidung sein. „Wir achten darauf, dass dieser Zuschuss nicht die Motivation für eine Aufnahmeentscheidung ist“, sagt der Leiter des Kreisjugendamtes. Im Vordergrund müsse der Wille stehen, eine humanitäre Aufgabe leisten zu wollen.

Mitarbeiter des Jugendamtes kommen zu zwei Hausbesuchen, um festzustellen, ob die psychischen und physischen Voraussetzungen für die Übernahme einer derartigen Aufgabe gegeben sind. Den künftigen Gasteltern wird eine lange Liste von Hilfsangeboten im Kreis Segeberg für alle erdenklichen Eventualitäten an die Hand gegeben. Auch die Adressen von Dolmetschern und Sportvereinen sind darin enthalten. „Es ist wichtig, dass die Jugendlichen ein eigenes Zimmer haben“, sagt Jugendamtsmitarbeiterin Simone Lohse. „Die Gasteltern müssen auch ein Führungszeugnis vorweisen und mit einem ärztlichen Attest nachweisen können, dass sie nicht an einer Suchtkrankheit leiden.“ Simone Lohse weiß aus Erfahrung, dass nicht jeder Jugendliche das Leben in einer fremden Familie aushält, kann potenzielle Gasteltern aber auch beruhigen: „In der Regel zeigen diese jungen Menschen keine Verhaltensauffälligkeiten.“ Geschwisterkinder sollen nicht getrennt, sondern zusammen bleiben.

Für Segebergs Landrat Jan Peter Schröder ist die Unterbringung von jugendlichen Flüchtlingen eine Möglichkeit, um Druck von den Behörden zu nehmen. „Es kann aber kein Alleinmittel, sondern nur ein weiterer Baustein sein, um eine vernünftige Integration zu betreiben.“

Die Stadt Norderstedt rechnet allein mit 50 jungen Flüchtlingen bis zum Frühjahr 2016. Sie sollen in Norderstedt im ehemaligen Frauenhaus und in der Teestube Falkenberg untergebracht werden. Die Stadt sucht händeringend nach Fachkräften, um die Jugendlichen zu betreuen. „Das wird nicht einfach werden, der Markt ist leer“, sagt Sozialdezernentin Anette Reinders. „Deswegen wäre ich froh, wenn sich auch Gastfamilien aus Norderstedt melden würden.“