400 Konzerte an vier Tagen: Das Reeperbahn Festival geht in die zehnte Runde

Mal Hand aufs Herz: Eigentlich ist das Reeperbahn Festival der völlige Irrsinn. Viele Hundert Bands, die kaum jemand kennt, nahezu kein echter Headliner, und immer mal wieder Clubs, die zwischendurch wegen Überfüllung die Türen schließen müssen. Hat anfangs ja auch nicht funktioniert, das Festival stand nach dem Debüt, bei dem ein mittleres sechsstelliges Minus eingefahren wurde, auf der Kippe.

Im zehnten Jahr allerdings stehen längst alle Ampeln auf Grün. Tickets werden schon gekauft, bevor die erste Band überhaupt bekannt gegeben ist, die Veranstalter rechnen bei der aktuellen Festival-Auflage mit 30.000 Besuchern. Und warum der Erfolg? Weil hier Musikverrückte hinter den Kulissen wirken, die nicht einfach ihren Job machen, sondern sich als Trüffelschweine verstehen und häufig schneller buchen, als Plattenfirmen über eine Albumveröffentlichung entscheiden. Hier wird radikal auf Qualität gesetzt, Namen sind Schall und Rauch. Wer als Fan zum Reeperbahn Festival geht, braucht dementsprechend eine ordentliche Portion Entdeckerlaune – und wird dann seinen Spaß mit Bands haben, die in Zukunft noch für die ein oder andere Großtat gut sind. Oder jedenfalls sein könnten.

Grundsätzlich gibt es dann vom 23. bis 26. September zwei alternative Vorgehensweisen. Entweder: Sich einfach von Club zu Club treiben lassen, also überall mal reinschauen und dabei zufällig Entdeckungen machen. Oder: Ein paar Abende für das Auschecken der zahlreichen Links auf der Festival-Website reservieren und dabei etwa über den Gute-Laune-Sound von Beaty Heart (24.9., 22.30 Uhr, Prinzenbar) stolpern, die britischen Indiepop mit karibischen Percussionklängen verbinden. Oder über die kanadische Sängerin Cloves (26.9., 20.40 Uhr, Imperial Theater), die – keine Übertreibung! – die nächste Adele sein könnte. Eine Traumstimme!

Weniger auf die Stimme, eher auf die Riffs kommt es hingegen bei
Förtress (26.9., 23.40 Uhr, Indra) an. Die dänischen Rocker orientieren sich gleichermaßen an Motörhead (deshalb das Ö im Namen) und Black Sabbath. Dürfte live ziemlich abgehen. Große Namen bieten sich zum Vergleich auch an, wenn es um K-X-P (24.9., 23 Uhr, Rock Café St. Pauli) geht. Die Finnen haben nämlich garantiert große Depeche-Mode- und Kraftwerk-Sammlungen zu Hause stehen – und unter Vorbildeinfluss einen unbedingt tanzbaren Partysound kreiert.

Eher nachdenklich ist hingegen die Handsome Family (24.9., 22 Uhr, Knust) unterwegs; viele kennen das Duo, weil es den Titelsong für die TV-Serie „True Detective“ geliefert hat. Aber: Brett und Rennie Sparks haben noch viel mehr zu bieten. Ihr ergreifender Indiefolk passt perfekt zu diesem Festival voller kleiner Höhepunkte.

Reeperbahn Festival Mi 23.9. bis Sa 26.9., diverse Clubs an und nahe der Reeperbahn,
Tagestickets: 24,- (23.9.) bis 44,- (26.9.).
Festivaltickets: 69,- (2 Tage) bis 89,- (4 Tage); www.reeperbahnfestival.com