Wie mir die Gourmetkolumne von Jürgen Dollase auf den Magen schlägt

Früher hieß das, was jetzt ausbricht, „Saure-Gurken-Zeit“: Die Kanzlerin fährt erst nach Bayreuth, dann über Salzburg nach Italien, über allen Gipfeln, auch den politischen, ist Ruh, die Menschen plätschern und dösen in der Sonne, und mangels anderer Sensationen kommt das jeweilige Ungeheuer von Loch Ness in die Schlagzeilen und Feuilletons.

Eigentlich ist das nicht mehr so: Wir haben Grexit (ja oder nein, oder beides oder gar nichts, Kopf oder Zahl), Cyber-Einbruch in die Computersysteme des Bundestages, die Ukraine, den IS, usw. usf. – Trotzdem möchte ich endlich einen Befreiungsschlag gegen mein Ungeheuer von Loch Ness führen: Es sind die Kolumnen des FAZ-Gourmet-Papstes Jürgen Dollase, den ich sonst im Jahr zu lesen vermeide, so gut es geht, weil es mir sonst den Magen umdreht, mir die Galle hochsteigt und der Kragen platzt.

Aber nun geht es nicht mehr, ich halte es nicht mehr aus, nachdem ich diese Woche seinen Bericht über eine „neue Dimension des Essens“ gelesen habe, die im niederländischen Zwille im Restaurant des Jonnie Boer erreicht wird. Folgen Sie mir also, geneigter Leser, einen Augenblick in die Geschmacks-, nein, Geschmocks-Verirrungen des hoch überschätzten Kollegen. Es geht zum Beispiel um einen „Seeteufel mit Tannenspitzen-Öl, Blaubeeren und Spitzkohl …“. „Beim Eigelb mit Seesalz, Kaviar, Schnittlauch und kalter Crème fraîche gelingt eine überraschende Neudefinition des probaten Bildes über eine veränderte Temperatursteuerung und eine Verschiebung ins Salzige – mit veränderter Funktion des Eigelbs, muss man ergänzen, das hier nicht umspielt, sondern eine Art stoffigen Mittelgrund bildet.“

Es geht auch so: „Nur hier scheint auch die Kombination von roher Rotbarbe mit Muschel möglich, mit Garnelen, Kaffirlimetten-Öl, Tomatenkerngehäusen, frittierten Garnelenköpfen, Blüten, Dill und Gurkenröllchen, ebenfalls per Sud ins Unendliche transformiert. Die Langustine danach landet in Gartenaromen, mit einer Sauce aus Grünen Bohnen, einem Selleriesalat und Laos-Pulver, einer jener überaus evidenten Akkorderfindungen, welches die Distanz zwischen Individualität und dem an anderer Stelle grassierenden Mainstream sehr deutlich macht.“

Aber es kommt noch besser, noch verschmockter: „Eine Überraschung ist sicherlich das fetthaltige Milchkuhfleisch, das am Tisch auf einem heißen Stein kurz geschmolzen wird, um dann strikt regional mit Raalter Spargel in verschiedenen Zuständen, krossen Kartoffelstreifen und Pilzen einen im besten Sinne klassischen Auftritt zu haben …“.

Und dann, um mit Bayreuth und dem „Lohengrin“ zu sprechen und zu singen:, „ … naht vom Himmel eine Taube“: „Nach ähnlichen Mechanismen funktioniert auch die prachtvolle Taube mit Sternanis (wie nach dem Stern-Anis oder Ster-Nanis, wie früher Blumento-Pferde respektive die Blumentopf-Erde) und einer Haselnuss-Innereien-Kombination, vor allem aber dann einem leicht gebundenen Kohlrabisaft aus der fermentierten Abteilung, der nicht nur wieder das Spektrum radikal öffnet, sondern auch noch auf Anhieb zutiefst süffig schmeckt.“

Da hilft es nichts, da kann ich nur nach der Currywurst und der sauren Gurke greifen.