München . „Germany's next Topmodel“ soll Gefahren für junge Frauen bergen: Eine neue Studie sieht einen direkten Zusammenhang zwischen der Sendung von Heidi Klum und Magersucht.

Krank werden durch „Germany's next Topmodel“? Neuer Wirbel um Heidi Klums ProSieben-Show: Eine Studie sieht einen Zusammenhang zwischen der Sendung und Essstörungen bei jungen Mädchen. Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI), das dem Bayerischen Rundfunk in München unterstellt ist, und der Bundesfachverband Essstörungen haben 241 Patienten zur Rolle von TV-Sendungen im Kontext von Essstörungen wie Magersucht und Bulimie befragt. Fast ein Drittel der Betroffenen gab dabei an, die TV-Reihe sei entscheidend für die eigene Krankheitsentwicklung.

Ein weiteres Drittel sieht zumindest einen „leichten Einfluss“ der Sendung auf ihre Krankheit. Ein Großteil der Befragten (85 Prozent) stimmte der Aussage zu, dass die Topmodel-Show Essstörungen verstärken kann.

„Werden sie auf ihren Körper reduziert und in diesem hochsensiblen Bereich kritisiert, kann es nicht nur für die Akteurinnen, sondern auch für junge Frauen vor dem Fernseher fatale Folgen haben“, sagte Studienleiterin Maya Götz und forderte „mehr Achtsamkeit beim Umgang mit jungen Frauen vor der Kamera“.

ProSieben wies die Kritik entschieden zurück. Das Thema Essstörungen sei unabhängig von der Sendung. Außerdem: „Bei ,Germany's next Topmodel‘ ist gesunde und nachhaltige Ernährung ein wichtiges Thema“, sagte ProSieben-Sprecher Christoph Körfer. „Regelmäßig weisen die Juroren darauf hin: Wer hungert, hat keine Chance als Model erfolgreich zu sein. Das ,Schönheitsideal‘ Size Zero spielt in der ­Sendung keine Rolle.“ Magersucht sei natürlich „für alle Betroffenen und ­deren Familien ein großes und schlimmes persönliches Thema“, Übergewicht sei gesellschaftlich betrachtet aber ein viel größeres Problem. „Da ist ,Germany's next Topmodel‘ ein klarer Appell, sich gesund zu ernähren und Sport zu machen.“

Die Macher der Studie kommen zu einem anderen Ergebnis. Klums schlanke Kandidatinnen (Kriterien: mindestens 1,72 Meter groß, höchstens Kleidergröße 36) „werden nicht nur zum Ideal von Schönheit und Erfolg erhoben, sie scheinen als Normalfall, wie ein Mädchen heute auszusehen hat“, heißt es in der IZI-Mitteilung. „GNTM setzt unerreichbare Normen. GNTM stellt Aussehen und Körper in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.“

Die Studie, die zwischen November 2014 und Februar 2015 durchgeführt wurde, sieht eine „krankmachende“ Logik in der Model-Sendung: „Jede neue ,Challenge‘, jede Gestaltung des eigenen Körpers durch Fremde ist voller Begeisterung anzugehen“, kritisieren IZI und der Bundesfachverband Essstörungen. „Die Kandidatinnen müssen alles ,für den Kunden‘ bzw. Heidi Klum geben. Empfindungen wie Müdigkeit und Kälte oder Gefühle wie Scham, Ekel, Wut oder Angst müssen unterdrückt werden.“

In der Studie befragte Mädchen hätten explizit beschrieben, wie sie sich immer wieder mit den Kandidatinnen der Model-Show verglichen. „Und so hat auch ein Teil meiner Krankheit angefangen“, sagte laut der Umfrage eine 14-Jährige mit Magersucht.

„Gesellschaftliche Ideale haben eine Auswirkung darauf, wie sich einzelne Personen in ihrem Weltbild wahrnehmen“, sagte der Bundesvorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen, Marcus Rautenberg, und sprach von einer „auf den ersten Blick hochwertigen Studie. Ich kann das aus psychologischer Sicht bestätigen“.

„Germany's next Topmodel“ ist nicht die einzige Sendung, die von der IZI-Studie unter die Lupe genommen wurde, nach IZI-Angaben aber diejenige, die von den Betroffenen mit Abstand am häufigsten im Zusammenhang mit Essstörungen genannt wurde. Vereinzelt gaben die Befragten auch Sendungen wie „Extrem Schwer“ oder „The Biggest Loser“ an, die einerseits Tipps zum weiteren Abnehmen lieferten und den Patienten gleichzeitig das gute Gefühl gäben, es gebe hässlichere Menschen als sie selbst. Eine ähnliche Funktion übernahm auch das Format „Extrem Schön“, bei dem sich Frauen für ein besseres Aussehen unters Messer legen. Auch Kochsendungen wie „Das perfekte Dinner“ spielten eine Rolle. Sie dienten einigen Erkrankten in Hochphasen ihrer Magersucht dazu, sich zumindest „satt zu sehen“.