Marseille. Andreas L. schloss sich im Cockpit ein und ließ die Maschine mit 150 Menschen an Bord absichtlich abstürzen.Lufthansa-Chef: „In unseren schlimmsten Albträumen hätten wir uns das nicht vorstellen können.“

Eine schreckliche Wahrheit zeichnet sich ab: Der Co-Pilot des A320 hat die Maschine mit insgesamt 150 Menschen an Bord der Lufthansa-Tochter Germanwings bewusst zum Absturz gebracht. „Wir haben keinerlei Erkenntnisse darüber, was den Co-Piloten zu dieser schrecklichen Handlung veranlasst haben könnte“, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr am Donnerstag vor Journalisten in Köln. Über Motive könne nur spekuliert werden. „Wir stehen vor einem riesigen Rätsel.“ Kanzlerin Angela Merkel sagte: „So etwas geht über jedes Vorstellungsvermögen hinaus.“

Der Mann hatte laut Spohr seine Ausbildung 2008 begonnen und war seit 2013 Co-Pilot. In der Ausbildung gab es vor sechs Jahren eine längere Unterbrechung. Danach sei seine Eignung aber noch einmal festgestellt worden. Spohr machte keine Angaben dazu, warum Andreas L. die Ausbildung unterbrach. Laut Spohr waren seine „fliegerischen Leistungen einwandfrei, ohne jede Auffälligkeit“. Er sei „hundertprozentig flugtauglich“ gewesen.

Spohr zeigte sich entsetzt über das mutmaßliche Verhalten des 27 Jahre alten Piloten. Er habe sich in seinen „schlimmsten Albträumen“ nicht vorstellen können, dass sich eine solche Tragödie ereignen könne. Spohr sprach aber zugleich von „einem unglaublich tragischen Einzelfall“. Er habe „absolutes und volles Vertrauen in unsere Piloten“. Das Cockpit-Personal werde „sehr sorgfältig“ ausgewählt, versicherte Spohr. Gerade für die psychologische Eignung werde viel Raum gelassen. Bei der Lufthansa sei Sicherheit die Nummer eins. Das Szenario an Bord in den Minuten, bevor der Airbus in den französischen Alpen zerschellte, 100 Kilometer von Nizza, beschrieb der Staatsanwalt von Marseille, Brice Robin. Seine wichtigsten Erkenntnisse nach Auswertung des Stimmrekorders:

Die Zeit nach dem Start in Barcelona

„In den ersten 20 Minuten sprechen die Piloten vollkommen normal miteinander, man könnte sagen heiter, höflich, wie normale Piloten während eines Flugs. Es passiert also nichts Ungewöhnliches. Dann hört man den Bordkommandanten die Instruktionen für die Landung in Düsseldorf vorbereiten. Die Antworten des Co-Piloten erscheinen lakonisch. (...) Die Antworten sind kurz, es gibt keinen wirklichen Austausch.“

Der Flugkapitän verlässt das Cockpit

„Dann hört man, wie der Bordkommandant den Co-Piloten bittet, das Kommando zu übernehmen. Man hört das Geräusch eines Sitzes, der nach hinten geschoben wird, und einer Tür, die sich schließt. Man kann legitimerweise davon ausgehen, dass er rausgeht, wahrscheinlich um seine natürlichen Bedürfnisse zu befriedigen.“

Der Co-Pilot leitet den Sinkflug ein

„Während er allein ist, betätigt er die Knöpfe des Flight Monitoring Systems, um einen Sinkflug einzuleiten. Die Aktion auf diesem Höhenregler kann nur gewollt gewesen sein.“

Der Kapitän kommt nicht ins Cockpit

„Man hört mehrere Rufe des Bordkommandanten, der Einlass in das Cockpit verlangt, über (...) eine Gegensprechanlage mit Video. Man kann also sagen, dass er sich gezeigt, identifiziert hat. Aber es gab keine Antwort des Co-Piloten. Er hat geklopft, um die Öffnung der Tür zu verlangen. Aber der Co-Pilot hat nicht geantwortet. (...) Er hat nicht ein einziges Wort gesagt, nachdem der Bordkommandant das Cockpit verlassen hatte.“

Verzweifelte Kontaktversuche

„Man hört die wiederholte Kontaktaufnahme des Kontrollturms von Marseille, aber keine Antwort des Co-Piloten. (...) Kein Notsignal, etwa Mayday-Mayday-Mayday, wurde empfangen. Und es gab keinerlei Antwort auf die zahlreichen Kontaktaufnahmen der Kontrolleure.“

Der Co-Pilot ist bei Bewusstsein

„Man hört ein menschliches Atmen im Inneren des Cockpits, bis zum Aufprall. Das bedeutet, dass der Co-Pilot am Leben war. (...) Er hat anscheinend normal geatmet. Das ist nicht die Atmung von jemandem, der gerade einen Infarkt erleidet. (...) Man hat nicht das Gefühl, dass er Panik hatte.“

Die Sekunden vor dem Aufprall

„Die Alarmsignale gingen los, um der Besatzung die Nähe des Bodens anzuzeigen. Dann hört man heftige Schläge gegen die Tür, wie um sie aufzubrechen. (...) Die Opfer haben es vermutlich erst im allerletzten Moment bemerkt. Schreie gibt es in den letzten Momenten vor dem Aufprall. (...) Der Tod trat sofort ein, denn diese Maschine, die mit 700 Stundenkilometern gegen den Berg prallte, ist im wahrsten Sinne des Wortes explodiert.“

Das Fazit der Ermittler

„Die für uns plausibelste, die wahrscheinlichste Interpretation ist folgende: Der Co-Pilot hat sich absichtlich geweigert, dem Bordkommandanten die Tür zum Cockpit zu öffnen und hat den Knopf zum Absenken der Flughöhe gedrückt. Wir kennen heute nicht den Grund, aber das kann interpretiert werden als der Wille, dieses Flugzeug zu zerstören. (...) Es war eine willent­liche Handlung.“

Seite 4, 5 Weitere Berichte zum Absturz