Abendblatt-Redakteur Andreas Dey beobachtet die Landespolitik

Geschafft. Endlich. Das war in dieser Woche die vorherrschende Stimmungslage der Hamburger Politik. Es war exakt 22.41 Uhr am Mittwochabend, als die Bürgerschaft mit den Stimmen der SPD-Mehrheit den Doppelhaushalt 2015/2016 verabschiedete. Und fast noch lauter als der Applaus der Sozialdemokraten hallten danach Seufzer der Erleichterung aller 121 Abgeordneten durch den Plenarsaal. Ein Wälzer von fast 5000 Seiten, der die Verwendung von rund 26 Milliarden Euro in den kommenden beiden Jahren beschreibt, und das noch dazu mit einem völlig neuen, kaufmännischen Haushaltswesen – so eine Mammutaufgabe hat das Parlament noch nicht bewältigt.

Drei Tage lang hatten die Abgeordneten jeden Behördenetat debattiert, und das, nachdem der Haushaltsentwurf des Senats schon seit Sommer in allen Fachausschüssen der Bürgerschaft und bei Dutzenden anderen Gelegenheiten durchgekaut worden war. „Wir sind jetzt alle etwas erschöpft“, räumte selbst ein Fraktionschef am Mittwochmittag ein. Durchhalten war angesagt. Dennoch hielten die drei Tage noch einmal einige Höhepunkte bereit:

Bester Spruch:

„Die SPD und die Stadtbahn, das ist wie der Sex und die Katholiken“, rief Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan in der Generaldebatte am Montag, „die meisten würde ja gern – aber der da oben sagt: ist nicht.“ Bei den Worten „der da oben“, deutete er in Richtung von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und brachte so die Kritik der Opposition am angeblichen „Alleinherrscher“ der SPD auf den Punkt. Allerdings hatte Kerstan den Spruch ausgerechnet von seinem ewigen parteiinternen Widersacher, Verkehrsexperte Till Steffen, übernommen. Motto: Lieber gut geklaut als schlecht erfunden.

Kürzeste Antwort:

Dora Heyenn, Fraktionschefin der Linken, wollte dem Bürgermeister während dessen Rede eine Frage stellen. Die obligatorische Frage des Bürgerschaftspräsidiums, ob er das gestatte, kanzelte Scholz knapp: „Nee.“ Was in solchen Momenten nicht unüblich ist – denn mitunter dient die Frage allein dazu, den Redner aus dem Konzept zu bringen –, wird im beginnenden Wahlkampf zur Methode. Auch die CDU beklagt, dass Scholz alle Einladungen zu direkten Duellen mit Herausforderer Dietrich Wersich ablehne. Die Motivation sei offensichtlich: Der bei den Bürgern bekannte und beliebte Bürgermeister wolle seine Gegner nicht durch gemeinsame Auftritte „aufwerten“. Am 6. Januar „rächt“ sich Wersich und holt sich Verstärkung von der einzigen Person, die selbst Scholz nicht überstrahlen kann: Bundeskanzlerin Angela Merkel ist an dem Abend Gast beim CDU-Neujahrsempfang im Rathaus.

Schönster Versprecher:

Bevor es Mittwochabend an die letzten beiden Etatberatungen ging, gönnten sich Abgeordnete, Senatoren, Rathausmitarbeiter und Gäste eine kulinarische Pause: Roastbeef (satt) mit Bratkartoffeln wurde im Großen Festsaal aufgefahren. Danach waren einige Beteiligte allerdings erst recht ermattet. Die undankbare Aufgabe, im Anschluss die Kulturdebatte zu eröffnen, hatte der CDU-Abgeordnete Andreas Wankum, und er lieferte prompt den Versprecher des Tages. Ausführlich lobte er die Kulturpolitik seiner Partei in Hamburg und anderen Bundesländern, um schließlich zu bilanzieren: „Überall dort, wo die CDU regiert, geht es der CDU gut.“ Die Korrektur von „CDU“ in „Kultur“ ging im Gelächter aller Fraktionen unter.

Beste Aktion:

In der gleichen Debatte kam Christa Goetsch (Grüne) mächtig in Fahrt, kritisierte „Pippi-Anträge der SPD“, kanzelte Ties Rabe (SPD), ihren Nachfolger als Schulsenator, als „Oberkulturbanausen“ ab (dafür gab es einen Ordnungsruf) und überreichte Kultursenatorin Barabara Kisseler (parteilos) schließlich als Geschenk eine Schlagbohrmaschine. Mit der solle sie die „Betonbretter“ im Senat durchbohren, so Goetsch, um an mehr Geld zu kommen.

Beste Retourkutsche:

Die Kultursenatorin nahm das hübsch mit Schleife versehene Präsent entgegen und begutachtete es gemeinsam mit dem neben ihr sitzenden Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD). Als Kisseler kurz darauf selbst ans Rednerpult ging, hatte sie die passende Antwort parat: „Das Geschenk hat den Finanzsenator und mich sehr erfreut“, sagte sie in Richtung Christa Goetsch. „Das hilft uns, den Sanierungsstau zu beseitigen, den Sie uns hinterlassen haben.“ Ein gerechtes Unentschieden.

Größte Überraschung:

Bürgermeister Olaf Scholz erinnert dieser Tage in Reden gern mit etwas spöttischem Unterton daran, wie es mit dem Vorgängersenat und dem Haushalt lief: Ende 2010 hatte Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) den Etat für 2011 in die Bürgerschaft eingebracht und am Ende seiner Rede verkündet, dass er im Übrigen nun zurücktrete. Kurz drauf zerbrach auch die Koalition mit den Grünen. Einen vom Ablauf ähnlichen Auftritt, allerdings mit umgekehrter Intention, hatte am Dienstag Innensenator Michael Neumann (SPD). Innerhalb seiner Partei hatte es seit Monaten immer mal wieder Getuschel gegeben, er wolle nach der Wahl im Februar aufhören. Möglicherweise saßen da einige Genossen nur einem Missverständnis auf. Denn tatsächlich hatte der ehemalige SPD-Fraktionschef schon frühzeitig erklärt, er wolle bei dieser Wahl nicht wieder für die Bürgerschaft kandidieren, also entweder als Senator weitermachen oder gar nicht. Doch da Neumann sich nie öffentlich dazu geäußert hatte, tauchten die Gerüchte kürzlich in „Bild“ wieder auf. Daher beendete der Innensenator seine Rede mit einer „persönlichen Bemerkung“: Dieser neue Haushalt sei doch „eine gute Grundlage, meine Arbeit als Innensenator in den kommenden Jahren fortzusetzen“. Thema beendet.

Fragezeichen des Tages

Bei der Schlussabstimmung am späten Mittwochabend fehlte dann ausgerechnet ein Senatsmitglied – Innensenator Neumann. Einfacher Grund: Er passte auf seine Tochter auf, weil seine Ehefrau, Staatsministerin Aydan Özoguz, ebenfalls einen Termin hatte. Dass die neue „Drei ???“-CD seiner Tochter spannender war als der Abstimmungsmarathon in der Bürgerschaft, würde der Politikprofi natürlich dementieren.