Das Buch „Helmut Schmidt und der Scheißkrieg“ beschäftigt sich mit der Rolle des Alt-Kanzlers zwischen 1939 und 1945. Demnach sei sein Denken „von Nazi-Ideologie kontaminiert“ gewesen.

Hamburg. War Helmut Schmidt Sympathisant des NS-Regimes, war er nur ein harmloser Mitläufer oder hatte er - wie selbst behauptet - früh mit dem Nationalsozialismus gebrochen? Die alte Diskussion, die schon 1975 vom CSU-Politiker und Schmidt-Widersacher Franz-Josef Strauß und sechs Jahre darauf vom damaligen israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin befeuert wurde, ist wieder aufgelebt.

Ursache ist das im Piper Verlag München erschienene Buch „Helmut Schmidt und der Scheißkrieg“, das sich mit der Rolle des früheren Bundeskanzlers zwischen 1933 und 1945 beschäftigt. Autorin Sabine Pamperrien kommt nach ihren Recherchen zu dem Schluss, Helmut Schmidts Denken sei zeitweise „von Nazi-Ideologie kontaminiert“ gewesen.

Wie der „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, basiere diese These unter anderem auf drei bislang unbekannten politischen Beurteilungen aus der Wehrmachtsakte des Hamburgers im Militärarchiv in Freiburg. Im Februar 1942 wurde demnach notiert, dass Helmut Schmidt auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung stehe und es beherrsche, „dieses Gedankengut weiterzugeben“. Ein Zeugnis aus dem September 1943 bescheinige Helmut Schmidt „eine einwandfreie nationalsozialistische Haltung“. Ein Jahr später wurde vermerkt, dass seine „nationalsozialistische Haltung tadelfrei“ sei.

Wert der Passagen ist strittig

Über den Wert dieser Passagen streiten sich die Gelehrten. Drei vom „Spiegel“ befragte Militärhistoriker meinen, dass in Personalakten verzeichnete Beurteilungen dieser Art nichts über die wahre politische Haltung des jeweiligen Soldaten aussagten. Helmut Schmidt, selbst Enkel eines jüdischen Großvaters, hatte stets angegeben, frühzeitig mit dem NS-System gebrochen zu haben. Nur gibt es von ihm unterschiedliche Angaben über diesen Zeitpunkt, so es nicht ohnehin eine fließende Ablehnung gewesen ist.

Für diese Annahme sprechen von Schmidt während der Kriegsgefangenschaft nachträglich angefertigte Notizen über seine Zeit im Dritten Reich. Bereits Ende 1938, also nach der Reichskristallnacht, habe er „Scham über die Judenverfolgung“ gespürt. Im Jahr darauf erinnert sich Schmidt an seine „klare Kontrastellung“ zum Nationalsozialismus – auch wenn „Hitler persönlich“ noch von dieser Antipathie ausgenommen war.

Nach seinem Abitur im März 1937 und einem halbjährigen Arbeitsdienst war der Soldat Schmidt nach Bremen, Berlin, Russland und schließlich als Oberleutnant an die Westfront kommandiert worden. Aus britischer Gefangenschaft kam er schließlich zurück in seine Heimatstadt.

Aufgrund der Recherchen der Buchautorin ließ sich der Altkanzler inzwischen eine Kopie seiner Wehrmachtsakte zuschicken. Seine angebliche Zusage an die Verfasserin, Einblick in das Privatarchiv in Langenhorn zu nehmen, hat Helmut Schmidt nach „Spiegel“-Angaben zurückgezogen. Dafür erscheint im Frühjahr 2015 sein nächstes Buch. Titel: „Was ich noch sagen wollte.“ Zum Inhalt soll eine Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus gehören.