Drei Wochen nach dem Tod des großen Schriftstellers nehmen im Hamburger Michel 2000 Gäste Abschied von Siegfried Lenz. Altbundeskanzler Helmut Schmidt erinnert in einer sehr persönlichen Rede an seinen Freund.

Hamburg. Es war ein bewegender Abschied mit einem Altkanzler, wie man ihn noch nie gesehen hatte. Helmut Schmidt, 95, machte in seiner Trauerrede für seinen Freund, den verstorbenen Schriftsteller Siegfried Lenz, klar, welche Bedeutung Lenz hatte. Und Schmidt konnte seine Tränen nicht zurückhalten. „So habe ich Helmut Schmidt noch nie erlebt“, sagte ein ergriffener Peter Harry Carstensen, ehemals Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und ein alter Fahrensmann der Politik.

Zur Trauerfeier für den großen Schriftsteller („Deutschstunde“) waren am Dienstag in die Hauptkirche St. Michaelis rund 2000 Gäste gekommen, darunter viele Prominente. Aber auch die Hamburger wollten sich von Lenz verabschieden. Die Plätze, die zuvor extra frei gelassen wurden für das Hamburger Publikum, waren restlos besetzt.

Schmidt sagte, seit den sechziger Jahren verband ihn und Lenz eine enge Freundschaft. Schmidt erinnerte an die vielen Sommer, in denen sich seine Frau Loki, Siegfried Lenz sowie dessen Frau Lieselotte trafen; wie persönlich seine Rede und seine Erinnerungen an seinen einstigen Weggefährten waren, zeigte sich, wenn Schmidt von „Sigi“, seinem Freund, sprach.

Lesen Sie hier weitere Auszüge aus Helmut Schmidts bewegender Rede

„Für Loki und mich stand immer fest, Sigi ist der Ombudsmann menschlichen Anstandes. Er hat zum geistigen Wiederaufbau Deutschlands beigetragen. Und wer heute seine Lektüre liest, wird auch morgen noch Vieles lernen können.“

Während seiner Rede saß Schmidt im Rollstuhl unterhalb des aufgebahrten Sarges, der mit weißen Rosen und Lilien geschmückt war und neben dem ein Schwarz-Weiß-Foto des Autors mit Pfeife stand. Hinter dem Schriftsteller und Philosophen Lenz habe ein „strenger Moralist“ gesteckt, der seine Moral jedoch den Lesern nie aufgedrängt habe, sagte Schmidt und schloss seine Rede, wie er sie auch begonnen hat - einfühlsam und sehr persönlich: „Sigi war für mich ein Mann ohne erkennbare Schwächen. Ich werde ihn sehr vermissen.“

Die Trauerfeier begonnen hat der Hauptpastor des Michels, Alexander Röder, gegen 12 Uhr mit dem Segen und tröstenden Worten an die Familie Lenz‘. Er leitete die religiöse Feier mit Musik von Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn Bartholdy. Anschließend erinnerte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) an den Schriftsteller und sagte, dass Lenz niemals vorschnell geurteilt habe. Er habe stets abgewägt - und das sei eine eine kluge Haltung.

Und weiter: „Seine Erzählungen haben die Kraft, uns vor allzu einfachen Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit zu schützen. Sie zwingen uns zum genauen Blick und mahnen uns, einander zuzuhören.“ Denn die Wahrheit komme nicht dröhnend daher, sondern meistens leise. „Der Autor dieser leisen Wahrheiten wird uns fehlen. Seine Worte und seine Werke werden bleiben.“

Im Anschluss sprach Torsten Albig (SPD) und erinnert auch daran, dass Lenz seine Geschichten vor allem in Hamburg und Schleswig-Holstein verortete: „Weltliteratur braucht nicht immer die große Bühne. Er war Meister darin, im Kleinen das Große zu erklären. Und wir durften sein Schauplatz sein.“

Prominenz beim Abschied

Auf der Gästeliste standen unter anderem Literaturnobelpreisträger Günter Grass, der Dichter Wolf Biermann, Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste, und die Verleger-Witwe Friede Springer. Außerdem nahmen Thomas Ganske, Verleger des Hoffmann und Campe Verlags, dem Lenz sein Leben lang die Treue hielt, und der Theatermacher Jürgen Flimm Abschied von Lenz.

Hamburg richtet die Trauerfeier in Absprache mit der Familie aus. Eine Trauerrede hielten auch der Freiburger Schriftsteller Karl-Heinz Ott sowie der Oberbürgermeister der polnischen Stadt Elk, Tomasz Andrukiewicz. Er war Ehrenbürger von Elk, die vor dem Krieg Lyck hieß und aus der Lenz stammte. Der gebürtige Ostpreuße Lenz war am 7. Oktober im Alter von 88 Jahren in Hamburg – seiner Heimat nach dem Zweiten Weltkrieg – gestorben. Die Hansestadt und Schleswig-Holstein haben Trauerbeflaggung für ihren Ehrenbürger angeordnet. Der Eichensarg wurde während der Trauerfeier im Michel aufgebahrt. Nach der Trauerfeier lud der Senat zum Empfang im Michel.

Am Nachmittag ist die Beisetzung auf einem Hamburger Friedhof, der nicht bekannt gegeben wurde, im engsten Familienkreis vorgesehen.