Verbotene Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern: Was wirklich hinter dem neuesten Fall von Prof. Boerne und Kommissar Thiel steckt. Spitzenwert auch diesmal wieder bei der TV-Quote.

Hamburg. Betrug und Korruption im Gesundheitswesen hat man selten so plastisch und lustig erzählt. Der Münster-Tatort mit Prof. Boerne (Jan Josef Liefers) und Kommissar Thiel (Axel Prahl) kam durchgeknallt daher. Die Kritiker sagen sogar in der ihnen eigenen Kurzform: langweilig! Die Quote spricht wie immer dagegen. 13,13 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 36,7 Prozent) wollten am Sonntag wissen, wie der Leichenkenner Prof. Boerne sich wohl als eingebildeter Kranker mit einer Mission schlägt.

Damit verbesserten die zwei ihren bisherigen Rekord vom 24. März 2013, als 12,81 Millionen Zuschauer bei dem Krimi „Summ, summ, summ“ gemessen wurden – Die Nutzung an mobilen Geräten oder in der Mediathek ist hier noch nicht eingerechnet. Die „Tatort“-Bestmarke hält immer noch die Geschichte „Stoevers Fall“ mit Manfred Krug aus dem Jahr 1992, als 15,86 Millionen einschalteten.

Die aktuelle Story mag auf den ersten Blick hinter dem komödiantischen Talent der Hauptdarsteller verwässern. Doch die guten Beobachter wussten die Feinheiten des Floretts zu genießen. Kostprobe? Da raunzt Boerne, pardon: Professor Boerne einen Arzt an. Warum der Herzinfarktpatient denn nun ausgerechnet in diese Klinik kam? Ob da nicht eine fette Fangprämie geflossen ist.

Fangprämie - das ist in der Realität das Schmiermittel zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken. Schwer zu belegen, aber Alltag im Graubereich des deutschen Gesundheitswesens. Da erhält ein Arzt ein kleines finanzielles Dankeschön, zum Beispiel für eine Studie, die schnell gemacht ist, wenn er Patienten gezielt in ein Krankenhaus überweist. Nicht erlaubt und schwer nachweisbar. Tut man nicht, passiert aber.

Die Klinik profitiert, weil sie einen lukrativen Patienten frei Haus geliefert kriegt. Wer zahlt die Zeche? Am Ende die Krankenkassen, also alle Versicherten. Denn das Krankenhaus wird sich die kleine Prämie für den Arzt an anderer Stelle wieder reinholen.

Genauso wie bei den gepanschten Krebsmitteln. Da aber geht es gleich um Millionen Euro bei Betrug. Denn die Gesundung der besonders schwer Kranken liegt uns allen am Herzen. Und Medikamente werden tatsächlich oft für einen einzelnen Patienten zusammengemixt und kosten tatsächlich schon in kleinen Dosen Tausende Euro. Dass man mit Arzneimittelfälschung mehr verdienen kann als mit Drogenschmuggel, dieses wissenschaftlich abgesicherte Bonmot bringt Prof. Boerne ja selbst. Die Drehbuchschreiber haben gut in den Archiven recherchiert.

Das Hamburger Abendblatt hat mehrfach über den Betrug mit Zytostatika und verbotene Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern berichtet. Wie im Tatort geschildert, ist schwer und teuer nachzuweisen, wo gepanscht wurde. In der Realität allerdings kommen Patienten meist nicht zu Schaden. Es ist so, dass bisweilen in nachgewiesenen Betrugsfällen ein nicht in der EU oder in Deutschland zugelassener Grundstoff verwendet wird, der genauso hilft. Aber eben günstiger im Einkauf ist und von den wenigen Betrügern, die es gibt, teuer bei den Krankenkassen abgerechnet wird.

Von der kleinen, aber hartnäckigen Ermittlertruppe in Sachen Korruption im deutschen Gesundheitswesen dürfte der Münster-Tatort also leisen Beifall bekommen. Oder, um es mit Prof. Boerne zu sagen: "Man muss kein Proktologe sein, um sich mit Arschlöchern auszukennen."