Ukraine und der Westenimmer einen Schritt zu spät

Als die Europabefürworter in Kiew das Janukowitsch-Regime stürzten, haben sie die Stimmung im Osten des Landes unterschätzt. Russlands Präsident Putin dagegen dürfte bereits einen Plan für den unbotmäßigen gewordenen Nachbarn in der Schublade gehabt haben. Und er zögerte nicht, ihn umzusetzen. Erst auf der Krim, mehr oder weniger handstreichartig, jetzt peu à peu in der Region um Lugansk und Donezk. Sein Militär und sein Geheimdienst waren vorbereitet, seine Propagandamaschine auch.

Kiew hatte dem nichts entgegenzusetzen. Die Sicherheitskräfte im Osten waren größtenteils illoyal, die Armee in einem erbärmlichen Zustand. Und die neue Führung des Landes macht noch immer einen völlig überforderten Eindruck: vom ersten fatalen Signal, Russisch als Amtssprache abzuschaffen, was trotz späterer Rücknahme das Misstrauen bei vielen russischsprachigen Landsleuten zementierte, bis hin zur Entsendung eines eigenen Hilfskonvois für die leidgeprüfte Zivilbevölkerung in den umkämpften Gebieten. Erst nachdem die Wagenkolonne Moskaus bereits medienwirksam unterwegs war!

Und während die ganze Welt rätselt, was sich denn auf den Ladeflächen der russischen Lkw befinden könnte, wo und wie es in die Ukraine kommen würde und wie verteilt wird, sickern bei Nacht und Nebel munter russische Panzerwagen samt Besatzung in das Separatistengebiet ein. Die Offensive der ukrainischen Armee hat die Separatisten in Bedrängnis gebracht. Prompt kommt der Nachschub des Kreml. Ein klarer Bruch des Völkerrechts, aber weder Kiew noch der Westen haben dem mehr als papierne Proteste entgegenzusetzen. Oder Sanktionen, unter denen die EU-Wirtschaft vielleicht mehr leidet als die Russlands und die im Falle der ukrainischen eher gänzlich hilflos wirken.

Putin spielt mit der Ukraine Katz und Maus. Und Kiew und der Westen sind immer einen Schritt zu spät. Die Frage ist eigentlich nur noch, wie weit der Mann im Kreml zu gehen gedenkt: Reichen ihm die Ostgebiete, oder strebt er tatsächlich einen Korridor über Odessa bis Transnistrien an? Und wenn ja, wer wollte ihn wie daran hindern?