Sehr geehrte Frau Bürgerschaftspräsidentin, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Frau Bundesministerin, sehr geehrte Frau Staatsministerin, meine sehr geehrten Damen und Herren,

da macht man einmal einen Witz über Dortmund – und dann kommen die gleich aus Nordrhein-Westfalen, und kaufen einen...

Viele von Ihnen haben mich bei der Begrüßung gefragt, ob ich die Anekdote aus dem vergangenen Jahr nicht noch einmal erzählen könnte. Ich wüsste schon, diese Geschichte mit den Dortmundern, die 5:1 beim HSV gewinnen, aber dann eben doch wieder zurück nach Dortmund müssen... Ja, das könnte Ihnen so passen, nachdem ich jetzt monatelang versucht habe, das Video vom Neujahrsempfang 2013 aus dem Internet zu löschen, natürlich vergeblich.

Nein, mal im Ernst: Heute vor einem Jahr dachte ich an dieser Stelle noch, für Hamburg würde die Internationale Gartenschau das herausragende Ereignis in 2013 werden und für das Hamburger Abendblatt der 65. Geburtstag.

So kann man sich irren.

Tatsächlich ist es uns gelungen, eine der interessantesten Schlagzeilen des vergangenen Jahres gleich selbst zu produzieren – was sich übrigens gelohnt hat. Denn die Ausgabe vom 26. Juli mit der Schlagzeile „Funke-Mediengruppe kauft das Hamburger Abendblatt“ gehörte zu den bestverkauften in 2013. Was nicht heißt, dass wir so etwas jetzt öfter machen wollen. Mir persönlich hat damals sowieso die Karikatur auf der Seite zwei besser gefallen. Sie zeigte einen Zeitungsverkäufer und einen Kapitän. „Funke kauft Hamburger Abendblatt“, schrie der Zeitungsverkäufer in den Hamburger Morgen. „Na und?“, knurrte der Kapitän, „ich mache das jeden Tag“.

Heute sind sowohl die Springers als auch die Funkes zu Gast, soll heißen, Achtung!: Wenn der Funke jetzt nicht überspringt, wann dann? Zusammen bescherten uns die beiden die wahrscheinlich schönste Erkenntnis in 2013: Das Hamburger Abendblatt ist mehr wert als die Washington Post – wer hätte das heute vor einem Jahr gedacht?

Liebe neue und liebe alte Inhaber, aber vor allem liebe Leserinnen und Leser: Ich verspreche Ihnen, dass wir beim Hamburger Abendblatt so weitermachen wie bisher, dass wir alles tun, um an unser journalistisch erfolgreichstes Jahr, nämlich das Jahr 2013, anzuknüpfen. Wir haben uns sehr gefreut, dass unsere Arbeit so oft ausgezeichnet und wir erneut zu Deutschlands bester Regionalzeitung gewählt wurden, übrigens zusammen mit der Thüringer Allgemeinen, die ebenfalls zu Funke gehört.

Geärgert haben wir uns allerdings auch: Nämlich immer dann, wenn über Journalismus gesprochen wurde, als sei der eine stinknormale Ware wie Büroklammern oder Windeln. Für uns war Journalismus das nie. Natürlich ist es schön, wenn man damit Geld verdienen kann, aber im Kern geht es darum nicht. Uns Journalisten geht es um mehr: Um Demokratie, um Freiheit und um die Frage, wie wir in einer Stadt wie Hamburg leben wollen, und wie man verhindern kann, dass hier etwas falsch läuft.

Und es läuft etwas falsch, wenn in dieser Stadt Hunderte Polizisten bei Krawallen und Übergriffen verletzt werden.

Es läuft etwas falsch, wenn ein kleines Kind in der eigenen Familie gewaltsam ums Leben kommt.

Und es läuft etwas falsch, wenn Menschen in einem Haus wohnen, das jeden Moment einstürzen kann.

All das sind Themen, bei denen das Hamburger Abendblatt 2014 genau hinsehen wird, ähnlich genau wie zuletzt bei der Dokumentation über die Elbphilharmonie. Vor allem sind das aber Themen, die zehnmal wichtiger sind als die Frage, wem in Hamburg die Stromnetze gehören.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht sollten wir 2014 erst einmal unsere alten Probleme lösen, bevor wir neue erfinden – allen voran die Situation um die Rote Flora. Die Straßenschlachten haben ein Ausmaß erreicht, das nicht mehr hinzunehmen ist. Hamburg muss jetzt klar zeigen, dass es einen Unterschied gibt zwischen einer offenen, lebendigen Großstadt und schwerkriminellem Verhalten. Das ist die erste Aufgabe in 2014.

Damit sind wir schon im neuen Jahr. Was halten Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, davon, wenn wir Hamburg nicht nur neu denken, wie es auf ihrer Einladungskarte steht, sondern wenn wir Hamburg gleich noch besser machen? Ja, das geht selbst in der nach Dortmund schönsten Stadt der Welt, aber es geht eben nur gemeinsam. Und wir beim Hamburger Abendblatt wollen dort anfangen, wo es aus unserer Sicht am wichtigsten ist: bei den Parteien.

Nein, nicht was Sie denken: Jetzt kommt keine billige Parteienschelte, kein die können nichts und verdienen sowieso zu viel. Jetzt kommt das Gegenteil. Wir wollen im Hamburger Abendblatt Menschen animieren, sich wieder mehr in Parteien zu engagieren und damit den einzigen Weg ständiger Mitbestimmung zu gehen, den das Grundgesetz vorsieht. Noch im Januar werden wir die Initiative „Partei ergreifen“ starten, die sich über das ganze Jahr ziehen wird – ein Jahr, in dem die Bezirksparlamente gewählt werden, in dem es um Europa geht, und an dessen Ende die nächste Bürgerschaftswahl nicht weit ist. Es gibt kein besseres Jahr, um den Hamburgern Lust auf Politik zu machen, und es ist höchste Zeit dafür. Sonst laufen wir Gefahr, dass künftig alle großen Fragen unserer Stadt per Volksentscheid geklärt werden.

Auch hier möchte ich nicht falsch verstanden werden: Ich habe nichts gegen direkte Demokratie. Aber ich finde es bedenklich, wenn Volksentscheide den Menschen vorgaukeln, es sei nicht mehr wichtig, sich in Parteien zu engagieren. Ich finde es bedenklich, dass wir immer öfter so tun, als könne der von uns gewählte Senat schwierige Probleme nicht allein lösen – wofür, bitte schön, haben wir ihn dann? Und ich befürchte, dass Volksentscheide immer von jenen Gruppen initiiert werden, die sich das leisten, die mobilisieren und die geschickt taktieren können. Das wäre eine Interessenpolitik, gegen die die aktuelle Parteipolitik harmlos ist.

Deshalb will das Hamburger Abendblatt Partei ergreifen, überparteilich natürlich, und zeigen, dass Parteipolitik nicht nur wichtig ist, sondern auch Spaß machen kann. Mindestens so viel Spaß, wie sich für Menschen einzusetzen, die es nicht so gut haben wie man selbst. Das Engagement der Leser hat mich im vergangenen Jahr demütig gemacht. Wir vom Hamburger Abendblatt müssen eigentlich nichts anderes tun, als über ein Schicksal zu berichten. Die Leser übernehmen dann den Rest. Mein Lieblingsbeispiel ist der Pottkieker, eine Suppenküche für arme, ältere Menschen. Schlimm genug, dass es so etwas in Hamburg überhaupt geben muss. Aber als es dann hieß, der Pottkieker müsse wegen fehlender 32.000 Euro im Jahr schließen, hatten die Abendblatt-Leser genug. Innerhalb weniger Tage kamen 200.000 Euro für die Suppenküche zusammen. Von 1000 Spendern, die natürlich ungenannt bleiben wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren: Das ist mein Hamburg, und das ist eine der herausragenden Funktionen des Hamburger Abendblatts. Wir bringen die, die ein Problem haben, mit jenen zusammen, die es lösen. Und ich behaupte: Das können auch nur wir. Wenn Sie uns dabei helfen wollen, sind sie herzlich eingeladen: Lassen Sie uns Hamburg gemeinsam besser machen.

Und lassen Sie uns dabei keine Angst haben, auch einmal Fehler zu begehen. Vor etwas weniger als einem Jahr waren Herr Mahlberg und ich zusammen mit anderen Springer-Managern für ein paar Tage in den Vereinigten Staaten im Silicon Valley. Vielleicht haben Sie von dieser Reise gehört, es hieß vorher, dass sich zwei Führungskräfte ein Hotelzimmer teilen müssten. Das war natürlich Quatsch, wir haben uns tatsächlich zu zweit ein Bett geteilt, übrigens in einem Hotel, das uns empfahl, das Gelände nur in großen Gruppen und wenn überhaupt tagsüber zu verlassen – alles andere sei zu gefährlich. Wenn Sie also mal jemanden suchen, der Ihnen ein gutes, sicheres Hotel in San Francisco empfiehlt: Ich bin es nicht.

Aber ich habe bei dieser Reise zwei Dinge gelernt: Erstens, dass es nie verkehrt ist, mal das gewohnte Umfeld zu verlassen – Stichwort: Hamburg neu denken. Zweitens, dass amerikanische Firmen gerade deshalb so erfolgreich sind, weil sie Ideen schon umgesetzt haben, wenn wir in Deutschland noch die Arbeitsgruppe dafür zusammenstellen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, sollten Sie also eine gute Idee für Hamburg haben und dafür einen Partner brauchen: E-Mail genügt, gern auch an mich.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns ein noch besseres Jahr für Hamburg, ein Jahr voller Anfänge und Aufbrüche, voll richtig verstandener Parteilichkeit, guter Ideen und mutiger Fehler. Für einen möchte ich mich schon jetzt bei unserem Finanzsenator entschuldigen. Lieber Herr Tschentscher, wir wissen nicht warum und wir können nicht ausschließen, dass das mit ihrem Job zu tun hat, aber unser neues Rechtschreibsystem macht aus ihrem Namen immer wieder das Wort Taschentuch.

Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, fragen sich jetzt: Stimmt das wirklich? Und stimmt es eigentlich auch, dass für den HSV eine potente Investorengruppe bereit steht, wenn der Verein sich am 19. Januar eine neue Struktur geben sollte? Wer traut sich, gegen Olaf Scholz anzutreten? Und schließlich: Wer sind denn nun die Hamburgerinnen und Hamburger, auf die es 2014 wirklich ankommt?

Sie werden es gleich erfahren. Da ein Onkel, der Gutes mitbringt, bekanntlich besser ist als eine Tante, die bloß Klavier spielt, habe ich noch ein kleines Geschenk für Sie. Ein Magazin, in dem es im Wesentlichen um Sie geht. Um Hanseaten, um die Köpfe der Stadt. Sie sind deshalb auch die ersten, die das neue, streng limitierte Heft erhalten. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen – alles Gute für 2014. Vielen Dank.