SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat im Wahlkampf-Endspurt noch einmal für einen echten Aufreger gesorgt. Für das „SZ“-Magazin ließ sich Merkels Herausforderer mit ausgestrecktem Mittelfinger ablichten.

Berlin. Das umstrittene „Stinkefinger“-Foto von Peer Steinbrück im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ ist aus Sicht der CDU ein Zeichen, dass der SPD-Kanzlerkandidat schon aufgegeben habe. Wer ernsthaft damit rechne, am übernächsten Sonntag gewählt zu werden, würde solche Gesten nicht machen, sagte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet am Freitag in Düsseldorf. Ein erhobener Mittelfinger passe eher zu einem Skandal-Rapper, meinte Laschet. „Ein deutscher Bundeskanzler ist nicht Bushido.“

Auch für ihn als Politiker mit rheinischem Humor sei nicht begreiflich, warum Steinbrück sich nicht beherrschen könne, sagte Laschet. „Ich deute das so, dass er das alles schon verloren gibt und sich quasi auf ein Leben danach vorbereitet und sagt: Ich war halt authentisch.“ In ganz Europa seien nun diese Bilder zu sehen. „Ich weiß nicht, ob das das Bild Deutschlands ist.“

Im „SZ“-Magazin hatte Steinbrück in einem Interview, in dem nur mit Gestik und Mimik reagiert wird, auf die Frage nach seinen Spitznamen mit einem Strecken des Mittelfingers Richtung Kamera geantwortet. Die konkrete Frage an den 66-Jährigen lautete: „Pannen-Peer, Problem-Peer, Peerlusconi - um nette Spitznamen müssen Sie sich keine Sorgen machen, oder?“. Das Ohne-Worte-Interview („Sagen Sie jetzt nichts“) ist ein Klassiker des „SZ-Magazins“.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kann die Aufregung nicht nachvollziehen. „Ich finde, die Ironie in dem Bild ist klar erkennbar“, sagte Steinmeier der „Rheinischen Post“ (Sonnabendausgabe).

Steinbrücks Wahlkampf-Rivalin Angela Merkel verkniff sich am Freitag einen Kommentar. Bei einer Veranstaltung in ihrem Wahlkreis in Barth (Mecklenburg-Vorpommern) nahm die Kanzlerin zum Reizthema des Tages keine Stellung.

Regierungssprecher Steffen Seibert reagierte auf die Frage, wie er Steinbrücks „Stinkefinger“-Foto bewerte, wie folgt: „Ich habe dazu keine Worte.“ Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt sage, eine solche Geste wäre nicht ihr Stil.

Steinbrück hofft auf Ironie-Verständnis

Steinbrück selbst verteidigte die „Stinkefinger“-Geste am Donnerstagabend - und hofft auf den Humor der Menschen im Land. „Da werden einem Fragen gestellt, die man übersetzt in Gebärden, in Grimassen, in Emotionen“, sagte Steinbrück am Rande einer SPD-Kundgebung in München über die besondere Interviewform des Magazins. „Das schauspielert man dann. Und ich hoffe, dass die Republik auch den Humor hat, dann diese Grimassen und diese Gebärdensprache bezogen auf die Fragen richtig zu verstehen.“ Auf die Frage, ob er gewusst habe, dass das Magazin dieses Foto auf den Titel nehmen wolle, sagte Steinbrück: „Nein.“

Laut Magazin wollte Steinbrücks Sprecher die Stinkefinger-Pose ursprünglich nicht freigeben - aber Steinbrück habe gemeint: „Nein, das ist okay so“. Steinbrücks Sprecher Rolf Kleine wollte sich dazu am Donnerstagabend nicht näher äußern - er betonte aber, dass die Fotos im Rahmen eines ironischen Formats entstanden sein. „Das muss ja wohl noch erlaubt sein.“ Die Bilder seien bereits vor rund einem Monat entstanden - man sei über die Veröffentlichung rund eine Woche vor der Wahl im Bilde gewesen.

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel nahm den Kanzlerkandidaten in Schutz: „Peer Steinbrück hat in einem ironischen Foto-Interview auf ironische Art Emotionen gezeigt“, sagte Gabriel via Twitter.

Augenzwinkern Richtung Medien?

Ist die Geste auch ein Augenzwinkern Richtung Medien? Immer wieder war in der SPD über aufbauschende Berichterstattung und einen teils unfairen Umgang mit Steinbrück geklagt worden. Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre zur Raute geformten Hände zum Markenzeichen erkoren hat, sorgt Steinbrück nun jedenfalls mit einer etwas anderen Gestik für Schlagzeilen. Er inszeniert sich damit einmal mehr als ein Politiker der besonderen Art („Bei mir rockt es“) - aber sollte es mit dem Kanzlerjob noch klappen, könnte ihn so ein Bild verfolgen.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) meinte bei Twitter: „Das kann doch wohl nicht der Stil eines Bundeskanzlers sein.“ FDP-Chef Philipp Rösler sagte: „Die Geste verbietet sich als Kanzlerkandidat. So etwas geht nicht.“ Steinbrück selbst meinte via Twitter: „Klartext braucht nicht immer Worte. Zum Beispiel wenn man ständig auf olle Kamellen, statt auf wirklich wichtige Fragen angesprochen wird.“ Wiederholt hatte er kritisiert, ob das Land nicht wichtigere Probleme habe, als aufgeregte Debatten über angebliche Fehltritte von ihm.