Der Schritt bezieht sich auf die börsennotierte Praktiker AG und mehrere Töchter. Tengelmann-Chef dementiert ein Interesse von OBI. Verdi bezeichnet Insolvenz als existenzielle Tragödie für die Mitarbeiter.

Hamburg/Frankfurt/Mülheim/Berlin. Jetzt ist es offiziell: Praktiker hat am Donnerstagmittag beim Amtsgericht Hamburg die Eröffnung von Insolvenzverfahren wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit beantragt. Das teilte die Baumarktkette in der Hansestadt mit.

Bereits am Mittwochabend war bekannt geworden, dass der Praktiker-Vorstand Insolvenzanträge für die börsennotierte Praktiker AG und mehrere Töchter stellen will.

Sein Aushängeschild Max Bahr will Praktiker nach Möglichkeit aus der Insolvenz heraushalten. In einem Brief an die rund 20.000 Mitarbeiter schreibt der Vorstand um Armin Burger, für die fast 200 unter der Marke „Max Bahr“ firmierenden Baumärkte - wie auch das Auslandsgeschäft - solle kein Insolvenzantrag gestellt werden.

Dabei gehe es sowohl um die 78 profitablen, seit jeher unter Max Bahr geführten Märkte als auch die gut 100 Häuser, die im Zuge der Sanierung in den vergangenen Monaten von der Marke Praktiker auf Max Bahr umgeflaggt worden waren. Erstere dienen als Sicherheit für die Banken, die Praktiker im vergangenen Jahr noch einmal Kredite gegeben hatten.

Zu den Insolvenzanträgen schreibt der Vorstand an die Belegschaft: „Dieser Schritt fällt uns schwer, insbesondere angesichts des exzellenten, aufopferungsvollen Einsatzes, den Sie für das Unternehmen in den letzten Monaten erbracht haben.“ Allein in Deutschland arbeiten laut Verdi 15.000 Menschen für Praktiker und Max Bahr.

Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben überschuldet, kann also seine Kredite nicht mehr bedienen, und zahlungsunfähig. Wo die Insolvenzverfahren geführt werden, muss nach Angaben eines Sprechers noch geklärt werden. Die AG ist im Handelsregister in Saarbrücken eingetragen, die operativen Tochterfirmen bereits in Hamburg, wohin Praktiker im vergangenen Jahr umgezogen war.

OBI hat kein Interesse an Übernahme

Der Handelsriese Tengelmann will mit seiner Baumarktkette OBI den Konkurrenten Praktiker nicht schlucken. „Wir wollen Praktiker nicht übernehmen“, sagte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub am Donnerstag in Mülheim an der Ruhr.

Interesse habe Tengelmann allenfalls an einzelnen Standorten: „Wenn etwas in unser Netzwerk passt, werden wir es machen.“ Dabei gehe aber die Qualität der einzelnen Standorte vor.

Praktiker sei Tengelmann in den vergangenen Jahren mehrfach zum Kauf angeboten worden, sagte Haub weiter. Tengelmann habe aber immer abgewunken.

„Der Drogenabhängige ist gestorben“, sagte Haub mit Blick auf Praktiker weiter. Die Rabatt-Strategie der Kette sei nicht aufgegangen: „Man muss immer mehr geben, damit man einen Kick hat.“ Die Verbraucher wollten vielmehr „ehrliche Preise“.

Verdi: Eine Tragödie für Mitarbeiter

Derweil bezeichnet die Gewerkschaft Verdi die drohende Praktiker-Pleite als menschliche und existenzielle Tragödie für die Mitarbeiter. Sie seien bereit gewesen, für drei Jahre auf jeweils rund fünf Prozent ihres Jahresgehaltes zu verzichten, teilte Verdi mit. Ein entsprechender Tarifvertrag war im Oktober 2012 mit der Unternehmensführung abgeschlossen worden.

„Umso bitterer ist es, dass nun in der Folge der Insolvenz viele der Menschen ihren Arbeitsplatz und damit ihre berufliche Existenz verlieren könnten“, sagte Stefanie Nutzenberger, die im Bundesvorstand für den Handel zuständig ist, in Berlin. Ziel müsse nun eine Insolvenz in Eigenverwaltung sein, die eher die Möglichkeit biete, viele Arbeitsplätze zu retten und eine Zerschlagung zu vermeiden.

Praktiker hat knapp 18.000 Vollzeitstellen, beschäftigt werden nach Unternehmensangaben insgesamt rund 20.000 Mitarbeiter. Der Konzern betreibt nach Firmenangaben fast 430 Bau- und Heimwerkermärkte in neun Ländern, davon über 300 in Deutschland.

Die Praktiker-Aktien reagierten auf die jüngsten Entwicklungen am Donnerstag mit einem Kurssturz. Zuletzt brachen die Papiere um rund 70 Prozent auf 0,11 Euro ein, nachdem sie bereits zur Wochenmitte um knapp 20 Prozent abgestürzt waren.

Ende Juni ging die Luft aus

Bei Praktiker kriselt es seit Monaten. „Wie Sie alle wissen, war die Geschäftsentwicklung der Praktiker AG bis ins zweite Quartal 2013 hinein durch den schneereichen langen Winter, anhaltend niedrige Temperaturen und einen damit verbundenen massiven Einbruch der Baumarktkonjunktur so stark beeinträchtigt, dass dadurch die positiven Effekte unserer Neupositionierung überlagert wurden“, heißt es in dem Brief.

Nur durch Zahlungsstundungen der Lieferanten und andere Notmaßnahmen habe bis Ende Juni verhindert werden können, das Praktiker das Geld schon früher ausging.

Letztlich spielten die Banken nicht mehr mit. Finanzkreisen zufolge brauchte Praktiker kurzfristig 30 bis 35 Millionen Euro. „Britische und österreichische Geldgeber“ - damit dürfte unter anderem die Donau Invest von Großaktionär Alain de Krassny gemeint sein - seien zwar bereit gewesen, Geld zu geben, erklärte Praktiker. „Jedoch scheiterte der Abschluss an der fehlenden Zustimmung wesentlicher Gläubigergruppen.“

Nach Informationen aus Finanzkreisen zog auch zumindest ein Warenkreditversicherer die Garantien zurück, mit denen Praktiker die Warenlieferungen vorfinanziert. In der Regel liefern Zulieferer dann nur noch gegen Vorkasse - oder die Regale bleiben leer. Dann platzte auch noch der Verkauf der drei luxemburgischen „Batiself“-Baumärkte, der 13 Millionen Euro hätte bringen sollen.

Rabattstrategie fehlgeschlagen

Praktiker schreibt seit Jahren rote Zahlen. Der Baumarkt-Konzern war unter anderem durch eine fehlgeschlagene Rabattstrategie in eine schwere Krise geraten und hatte erst im vergangenen Jahr seine Finanzierung für die nächsten Jahre sichern können.

Eigentlich wollte der erst im Herbst 2012 installierte Vorstandschef Armin Burger das Geschäft in diesem Jahr auf ein solides Fundament stellen. Doch Praktiker musste im ersten Quartal einen Umsatzrückgang hinnehmen, die Verluste wuchsen an. Ursache für die schwachen Zahlen waren vor allem der lange Winter und der damit verzögerte Start in die Frühjahrssaison.

Durch die Geschäftsentwicklung seien die „positiven Effekte“ der Neupositionierung überlagert worden, heißt es im Schreiben des Praktiker-Vorstands. „Der Konzern geriet dadurch in eine angespannte Liquiditätssituation“. Es sei nicht gelungen, eine tragfähige Anschlussfinanzierung zu finden.

Unter der Holding Praktiker AG sind einzelne Firmen wie Praktiker Deutschland, eine Servicefirma aber auch die Ertragsperle Max Bahr zusammengeführt. Bei der Praktiker-Sanierung sollte eigentlich Max Bahr zur tragenden Säule des Unternehmens werden. So sollten etliche Praktiker-Filialen auf diese Marke umgestellt werden. Praktiker sollte als Discount-Schiene mit verkleinertem Angebot dienen.