Vor einer Olympia-Bewerbung muss Hamburg Weltmeisterschaften ausrichten

Wenn es noch eines Belegs für die Begeisterungsfähigkeit der Hamburger für Sport und Sportler bedurfte, lieferten ihn die Menschen dieser Stadt am Mittwoch beim Empfang der deutschen Olympiamannschaft. Die Athleten waren von der Willkommensfeier überwältigt, die Funktionäre des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) nahmen erstmals im Zusammenhang mit Hamburg das Attribut "olympiareif" in den Mund.

So viel Lob kann auch verpflichten. Und wer die Begehrlichkeiten der notorisch unterfinanzierten nationalen und internationalen Sportverbände kennt, ahnt, was auf Hamburg zukommen könnte. Die Stadt ist gut beraten, bei allen ihren sportpolitischen Ambitionen immer auch einen Blick auf den Taschenrechner zu werfen. Der Preis für die Ausrichtung Olympischer Spiele, von Welt- oder Europameisterschaften ist hoch. Vor allem in Asien und den Arabischen Emiraten gibt es eine große Bereitschaft, koste es, was es wolle, prestige- wie werbeträchtige Großveranstaltungen auszurichten. Im Anblick dieser Dollarzeichen haben viele Verbände bei ihren Forderungen an potenzielle Ausrichter ihr Augenmaß verloren. Wer aber nicht in die Schatullen von Scheichs, Oligarchen und Diktatoren greifen kann und wie Hamburg oder andere europäische Städte dem Steuerzahler für seine Ausgaben minutiös Rechenschaft abzulegen hat, der kann sich an dem Rattenrennen um große Sportevents im Grunde nicht verantwortungsvoll beteiligen.

Sportsenator Michael Neumann hat daher die Avancen des Radsport-Weltverbandes, der in den nächsten Jahren in Hamburg eine Weltmeisterschaft austragen möchte, mit Freude registriert, die Unterstützung des Projekts durch den Senat jedoch zu Recht an zwei Fragen geknüpft: Wer soll das bezahlen? Und: Was nützt Hamburg die WM? Diese Fragen sind in den nächsten Monaten zu beantworten. Unbestritten ist, dass nach 17 erfolgreichen Jahren Cyclassics eine Rad-WM nach Hamburg und in die Dekadenstrategie Sport passen würde.

Der Senat bewegt sich aber auf einem schmalen Grat, wenn er das offensichtliche Interesse an einer neuen Olympiabewerbung befeuern will, ohne dass dabei die Schuldenbremse der Verfassung ausgehebelt wird. Die Ausrichtung Olympischer Spiele, das belegen internationale Studien, kann sich für Städte der Größe Hamburgs mittelfristig durch mehr Tourismus und die Ansiedlung von Firmen auszahlen, der lange Weg zu den Spielen eher nicht. Eine Olympiakampagne bedingt die Austragung von Großveranstaltungen, sonst ist sie chancenlos. Doch nur Welt- und Europameisterschaften zu akzeptablen Preisen spielen die Kosten aller Erfahrung nach wieder ein.

Mit der Dekadenstrategie, dem Zehnjahresplan für Schul-, Breiten-, Spitzen- und Veranstaltungssport, der zunächst eine solide Basis für das Konzept Sportstadt schaffen soll, hat sich der Senat zumindest den zeitlichen Druck genommen, nach den erstbesten Titelkämpfen greifen zu müssen. Zudem gilt es nach den gescheiterten Kandidaturen um die Schwimm-WM 2013 und der Universiade 2015, den Weltspielen der Studierenden, für neues Vertrauen bei den Verbänden zu werben. Hamburg war aus Kostengründen vorzeitig aus beiden Kampagnen ausgestiegen. Das nehmen einige führende Sportfunktionäre der Stadt bis heute übel.

Dass der Sport am besten dort aufgehoben ist, wo er traditionell herkommt, haben die Spiele in London bewiesen. Die Idee Olympias wird von dem Enthusiasmus der Briten nachhaltig profitieren. Dieses Ergebnis lässt sich zwar nicht sofort in den Bilanzen nachlesen, langfristig wird es als geldwerter Vorteil auf die Sportbewegung einzahlen. Und sollte Begeisterung wirklich wieder die Währung der Verbände werden, dürfte an Hamburg kein Weg mehr vorbeigehen.