Die Politik sollte sich aus den komplizierten Details im Gesundheitswesen heraushalten

Mit der elektronischen Gesundheitskarte verhält es sich ähnlich wie mit der Lkw-Maut, die vor einigen Jahren mit großem Brimborium auf deutschen Autobahnen eingeführt wurde: Für eine recht präzise Aufgabe wird die technisch komplizierteste aller Lösungen gefunden. Doch die Kritiker der Plastikkarte werden vermutlich am Ende wie die Befürworter einer Vignette statt der elektronischen Autobahn-Maut feststellen: Das läuft doch. Denn diese e-Card wird das deutsche Gesundheitswesen nicht revolutionieren.

Die Startschwierigkeiten sind immens, lassen sich am Ende aber aushalten. Die Milliardenkosten sind bislang schon exorbitant. Doch der Preis ist der Tatsache geschuldet, dass in einem halbwegs demokratisch verfassten Expertenssystem alle mitreden müssen: Ärzte, Krankenkassen, Politik, Datenschützer, Techniker, Patientenvertreter. Sie alle stritten - je nach Zählweise - über zehn Jahre um eine moderne Krankenkassenkarte.

Sie soll wie ein medizinischer Ausweis sein, alle wichtigen Daten speichern, Rezepte enthalten, Röntgenbilder, Diagnosen von Ärzten, Operationen und Therapien im Krankenhaus belegen und am besten noch die Abrechnung erleichtern. Nichts davon kann diese Karte, die die Kassen jetzt ausgeben. Noch nicht. In Zukunft wird es möglich sein, mithilfe der elektronischen Gesundheitskarte die Krankheits- und Behandlungsbiografie eines Versicherten im Internet zu dokumentieren. Die Daten sollen sicher sein, der Patient selbst kann sie managen wie seine Urlaubsfotos am heimischen PC. Ob das gelingt und medizinisch sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. Für den Arzt jedoch kann es die Behandlung erleichtern, wenn er auf einen Blick sieht, welche Vorerkrankungen es gibt, welche Medikamente der Versicherte einnimmt.

Die Kommunikation zwischen Hausarzt, Spezialist und Krankenhaus dürfte sich verbessern - mit positiven Effekten auch für die Kosten.

Der Protest der Datenschützer schwillt ab. Das mag auch mit der allgemeinen Erschlaffung gegenüber neuer Technik zu tun haben. Günstigere Lösungen als die e-Card wurden verworfen. Klagen sind gescheitert. Nach einer Reihe von Umfragen wollen die Krankenversicherten eine moderne Karte. Und wenige trauen den Lösungen wie in den USA, wo Google elektronische Patientenakten anbietet, die jeder im Internet anlegen kann. Viele glauben zu Recht, dass die intimsten Daten, die es über einen Menschen überhaupt geben kann, bei einer gesetzlichen Krankenkasse in Deutschland noch immer besser aufgehoben sind als bei einer weltweit operierenden Suchmaschine.

Doch aus dem langwierigen und teuren Verfahren vom Beschluss bis zur Einführung einer internetbasierten Kartenlösung müssen Kassen, Ärzte und Politik Konsequenzen ziehen. So geht es nicht mehr. Denn wie kann es sein, dass technische Quantensprünge verschlafen wurden und die staatlich beauftragte Gesellschaft dermaßen dilettiert? Warum wurden die Bedenken von Ärzten nicht berücksichtigt? Aus welchem Grund muss die Politik die Kassen zwingen, das Megaprojekt nun unter Androhung von Strafen durchzuziehen?

Die Gesundheitsminister Ulla Schmidt (SPD), Philipp Rösler und Daniel Bahr (beide FDP) machten allesamt eine traurige Figur. Peinlich für die Liberalen: Sie waren vor der Bundestagswahl 2009 gegen die elektronische Gesundheitskarte. Im Koalitionsvertrag ist eine Überprüfung des Status quo festgelegt. Die hat aber nie stattgefunden. Wenn die Politik schon nicht prüft und hinterfragt, dann sollte sie sich in Zukunft bei derart gewichtigen Projekten im Gesundheitswesen gänzlich heraushalten.