Apple-Chef krank, Aktie stürzt ab: Fünf Fragen an Dr. Tiemo Kracht. Kracht, 46, ist Geschäftsführer der Kienbaum Executive Consultants GmbH.

1. Hamburger Abendblatt: Steve Jobs, Gründer und Vorstand von Apple, meldet sich krank aus dem operativen Geschäft ab, die Aktie gerät ins Trudeln. Ist es falsch, eine Firma so stark mit einer Führungsperson zu verweben?

Tiemo Kracht: Eine Firma sollte die Gunst einer charismatischen, emotionalen Führung offensiv nutzen. Doch trotz Betonung des CEO-Prinzips, also der geballten Verantwortung an der Spitze, muss ein Führungsteam sichtbar bleiben und Zutrauen in die dauerhaft stabile Führung aufbauen. Bei Steve Jobs fehlte teilweise nur noch der Zusatz "er kann über Wasser gehen". Das ist extrem ungesund.

2. Warum fällt es Firmenlenkern oft schwer, ihre eigene Nachfolge vorzubereiten?

Kracht: Es kann bei mangelnder Demut ein Abgleiten in einen gefährlichen Höhenrausch geben, kombiniert mit falscher Eitelkeit. Starke Topmanager genießen ihre gesellschaftliche Spitzenstellung, setzen diese zum Wohle des Unternehmens ein. Es entsteht aber nicht selten ein Gefühl der Unangreifbarkeit und Unersetzlichkeit.

3. Welche Kultur steckt dahinter, wenn ein charismatischer Typ fürs ganze Unternehmen steht?

Kracht: Man könnte meinen, dass eine Überhöhung des CEOs auf ein teamfeindliches Milieu hindeutet und ein "Führerprinzip" praktiziert wird. Aber der Apple-Erfolg ist auch ein großartiger Teamerfolg auf allen Ebenen. In den USA ist die Politik in der Wahrnehmung stark auf den Präsidenten ausgerichtet, die Wirtschaft auf den CEO. Die Strahlkraft der Persönlichkeiten wird für den Erfolg eingesetzt. In Deutschland wird die Teamkultur nicht selten beschworen, aber nicht immer gelebt, in den USA das CEO-Prinzip betont, aber häufig mit Teamkultur verknüpft.

4. Offiziell hat Steve Jobs bis zuletzt für einen Dollar Jahresgehalt gearbeitet. Welche Signale sendet so etwas an die Mitarbeiter?

Kracht: Diese Festlegung enthält vielfältige Botschaften: Ich glaube an das Unternehmen, die Mitarbeiter, die Produkte, die Innovationskraft. Ich definiere mich nicht über Einkommen. Es geht im Kern nicht um mich, sondern um das Unternehmenswohl. Ich bin unabhängig. Und: Ich bin hier, weil ich es will, nicht, weil ich dafür bezahlt werde.

5. Kann Apple ohne Steve Jobs genauso populär bleiben?

Kracht: Steve Jobs hat eine besondere Leistung vollbracht und eine extrem starke Marke und eine globale "Apple-Sucht" geschaffen, die auf "elektronische Umsetzung" von Lebensgefühlen zurückgeht. Daher wird das Band zwischen Apple und den "digital natives" sicher nicht reißen. Es kommt darauf an, auch künftig Spitzenmanager hervorzubringen, die wie Steve Jobs Emotionalität transportieren und nicht in kühle Rationalität abgleiten.