Das neue Kohlekraftwerk Moorburg ist in Betrieb – und wirkt wie aus der Zeit gefallen.

Als das Kohlekraftwerk Moorburg in der Mitte des vergangenen Jahrzehnts geplant wurde, sah die Welt der Stromerzeugung völlig anders aus. Die deutsche Energiewende war zwar bereits im Gange, die Energiekonzerne zeigten sich unter der Hand aber guten Mutes, den Ausbau von Wind- und Sonnenkraft, von Biogasanlagen und dezentralen Strukturen zumindest noch lange hinauszögern zu können. Zehn Jahre später jedoch ist klar, dass die Versorgungsunternehmen das Vorhaben nicht mehr stoppen können, dass die Nutzung der Atomkraft in Deutschland bis zum Jahr 2022 auslaufen wird – und dass der Bau und Betrieb neuer Kohlekraftwerke niemanden im Lande mehr begeistert.

Die Tragik des Kraftwerks Moorburg besteht darin, dass ein solches Bauprojekt ohne Weiteres zehn Jahre lang dauern kann. In der vergangenen Dekade aber haben sich die Bedingungen am deutschen Energiemarkt fundamental verändert. Was damals als fortschrittlich galt, wirkt heute wie ein Relikt aus grauer Vorzeit. Ja, Moorburg arbeitet im Vergleich zu alten Kohlekraftwerken wie etwa jenem in Wedel deutlich effizienter, für die gleiche Stromleistung muss man in einem neuen Kraftwerk weniger Kohle verbrennen als in einem alten. Dennoch ging in Moorburg alles schief, was schiefgehen konnte. Das Kraftwerk erhielt keine Anlage zur Abtrennung des Treibhausgases Kohlendioxid aus dem Rauchgas, weil sich solch ein Zubehör bis heute nicht wirtschaftlich realisieren lässt. Bürgerinitiativen und Umweltschützer verhinderten die Auskopplung von Fernwärme aus Moorburg in den Hamburger Westen, was den technologisch möglichen Wirkungsgrad – er beschreibt die Nutzung der eingesetzten Energie – erheblich senkt. Die Stadt setzte durch, dass der Kühlturm am Kraftwerk nur klein und nicht groß sein darf. Das kostet Vattenfall, den Betreiber der Anlage, ein weiteres Stück technischer Leistungsfähigkeit.

An der Elbe steht nun ein in vieler Hinsicht amputiertes Großkraftwerk. Noch nicht endgültig vor Gericht entschieden ist, wie und in welchem Umfang künftig Elbwasser zur Kühlung der Anlage eingesetzt werden darf. Klar ist aber bereits, dass das Kraftwerk schon vor dem Beginn seines Regelbetriebs bei drei Milliarden Euro Baukosten eine Milliarde Euro an Abschreibungen verloren hat. Vattenfall müsste die Dampfturbinen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten nun also so oft wie möglich auf Hochtouren laufen lassen, um den wirtschaftlichen Schaden halbwegs einzugrenzen – das allerdings würde bedeuten, dass vom Hamburger Gebiet aus Jahr für Jahr bis zu neun Millionen Tonnen Kohlendioxid zusätzlich in die Atmosphäre ausgestoßen werden, in einer Zeit, in der die Staatengemeinschaft erbittert und fast ohne Erfolg um die Reduktion jeder einzelnen Tonne Treibhausgas ringt.

Ungelöst bleibt auch ein ganz praktisches Problem. Weil Moorburg keine Fernwärme liefern wird, muss das alte Kohlekraftwerk in Wedel auf andere Weise ersetzt werden. Ein Gas-und-Dampf-Kraftwerk ist die Alternative, die Vattenfall derzeit bevorzugt. Dezentrale, kleine Heizkraftwerke hingegen möchten Bürgerinitiativen, Umweltschützer und Anrainer im Hamburger Westen dort am liebsten realisiert wissen, als klares Bekenntnis zur Energiewende und zu ihrer Umsetzung. Im schlimmsten Fall droht an der Landesgrenze von Hamburg und Schleswig-Holstein, am Areal des alten Wedeler Kraftwerks, ein neuer, jahrelanger Streit auf politischer und rechtlicher Ebene.

Es bleibt die Hoffnung auf den gesunden Menschenverstand und darauf, dass es so nicht kommen wird. Ein weiteres Chaosprojekt können sich Hamburg und Schleswig-Holstein nicht erlauben. In Wedel müssen alle klug kooperieren, um die beste Lösung für ihre Region zu erreichen: die beteiligten Landesregierungen, der Energieversorger Vattenfall, Anrainer und Umweltschützer. Denn ein neues Moorburg darf es nicht geben.