Die Regierungschefs von Israel und den USA haben sich in eine persönlichen Fehde verstrickt. Ein Streit, den niemand braucht

Die Vereinigten Staaten von Amerika und Israel sind strategische Verbündete zur Wahrung ihrer Interessen im Nahen und Mittleren Osten. Angesichts der Tatsache, dass diese vor allem energiepolitisch bedeutende Weltregion von Krieg, Despotien, gefährlichen sozialen Unwuchten, militantem Islamismus und aggressivem Terrorismus gekennzeichnet ist, kommt dieser Allianz eine hohe Bedeutung zu. Umso fataler ist, dass die Regierungen in Washington und Jerusalem alles andere als befreundet sind und gegenwärtig einen Kurs des Frontalzusammenstoßes steuern, wie die israelische Zeitung „Maariv“ schrieb. Dieser Streit ist überflüssig und zudem politisch brandgefährlich.

Es ist kein Geheimnis, dass US-Präsident Barack Obama und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu nicht nur politische Differenzen haben, sondern sich auch ganz persönlich nicht ausstehen können. Netanjahus Festhalten an einem fortgesetzten Siedlungsbau in Schlüsselregionen der besetzten Gebiete ist geeignet, dem halb toten Nahost-Friedensprozess den Rest zu geben, den Obama gern belebt und als Erfolg seiner Amtszeit vorgewiesen hätte. Mit der Besiedlung zerschneidet Netanjahu das Gebiet eines möglichen Palästinenserstaates bis zur Unregierbarkeit – was wohl beabsichtigt ist.

Ein zweiter Streitpunkt zwischen Washington und Jerusalem hat sich nun zu einem „endgültigen Bruch“ zwischen den beiden Staatsmännern zugespitzt, wie US-Kommentatoren meinen. Es geht im Kern um die Bemühungen der fünf Veto-Mächte der Uno – USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien – sowie Deutschlands, den Atomkonflikt mit dem Iran friedlich per Abkommen beizulegen. Israel und der Westen verdächtigen das Mullah-Regime in Teheran, unter dem Deckmantel eines zivilen Programms eine atomare Bewaffnung anzustreben.

Bis spätestens Ende März soll verhandelt werden, bis zum 30. Juni eine endgültige Einigung unter Dach und Fach sein. Netanjahu will ein solches Abkommen möglichst verhindern. Er hält den Westen für naiv und meint, eine Einigung würde dem Iran den Bau der Bombe erst recht ermöglichen. Nun sind am 17. März vorgezogene Parlamentswahlen in Israel – die Netanjahu durchaus gegen Oppositionsführer Izchak Herzog verlieren könnte. Er möchte daher für seine Position werben – und da kommt ihm der Umstand gelegen, dass ihn der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, hinter dem Rücken von Präsident Obama eingeladen hat, um am 3. März vor beiden Häusern des US-Kongresses zu sprechen. Obama schäumt vor Wut. Die Reaktion der US-Regierung ist einzigartig: Der Präsident weigert sich, den israelischen Premier zu empfangen; Vizepräsident Joe Biden und Außenminister John Kerry lassen erkennen, dass sie verhindert sein werden. Obama fürchtet, dass eine flammende antiiranische Rede Netanjahus Teheran so weit verärgern könnte, dass ein Abkommen nicht zustande kommt. Mehrere demokratische Politiker haben angekündigt, Netanjahus Rede zu boykottieren. Am Mittwoch spitzte sich der Konflikt weiter zu: Netanjahu lehnte eine Einladung der Senatoren Dick Durbin und Dianne Feinstein zu einem Gespräch mit den Demokraten ab.

Brisante Dokumente von Geheimdiensten mehrerer Staaten, die dem katarischen Sender al-Dschasira und dem seriösen Londoner „Guardian“ zugespielt wurden, zeigen indes, dass Netanjahu die iranische Bedrohung offenbar bewusst übertrieben hat. Im September 2012 hatte der israelische Premier in einer dramatischen Rede vor Irans Atombombe gewarnt und erklärt, Teheran werde bereits im Sommer 2013 über genügend hoch angereichertes Uran für eine Bombe verfügen.

Wie aus den nun enthüllten Dokumenten hervorgeht, war der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass der Iran offenbar gar nicht bereit dazu sei, das Uran auf Waffenfähigkeit anzureichern. Die Iraner zeigten keine diesbezügliche „Aktivität“, hieß es in einem Mossad-Bericht im Oktober 2012 an den südafrikanischen Geheimdienst.

Abendblatt-Chefautor Thomas Frankenfeld greift an dieser Stelle jeden Donnerstag ein aktuelles Thema auf