Mit Olaf Scholz und Dietrich Wersich gibt es zwei glänzende Bürgermeisterkandidaten

Klassischerweise ist ein Duell eine Auseinandersetzung zweier Männer, an deren Ende der eine tot im Staub liegt und der andere Ruhm und Ehre davonträgt. „The Winner Takes It All“ trällerte ABBA einst treffend. Am Ende des einzigen Bürgermeister-Duells vor der Bürgerschaftswahl am 15.Februar lag glücklicherweise niemand am Boden. Einen Gewinner gab es auch nicht – außer den Wählern. Denn wer diese intensiven 70Minuten verfolgt hat, konnte feststellen, dass die Konstellation des SPD-Amtsinhabers Olaf Scholz gegen den CDU-Herausforderer Dietrich Wersich ein Glücksfall für Hamburg ist.

Betrachtet man losgelöst von allen inhaltlichen Differenzen nur die persönliche Eignung der Bewerber um das Amt des Bürgermeisters, könnte das Zeugnis für beide kaum besser ausfallen: Zwei Intellektuelle, die Hamburg von Kindesbeinen an kennen, über große Erfahrung verfügen, eloquent, selbstbewusst und enorm fleißig sind und darüber hinaus beide scheinbar über eine zusätzliche Festplatte im Kopf verfügen, auf der sie Berge von Fakten über diese Stadt und jedes relevante Thema speichern und auf Knopfdruck abrufen können.

Dieses Niveau an Professionalität, auf dem sich Olaf Scholz und Dietrich Wersich nun seit vier Jahren beharken, haben – vorsichtig formuliert – nicht alle Amtsinhaber und nicht alle Herausforderer in der Vergangenheit erreicht. Der Bürgermeister und der Oppositionsführer haben damit im Übrigen auch die politische Kultur dieser Wahlperiode und dieses Wahlkampfs geprägt, indem der sachliche Wettstreit der Argumente weitgehend Vorrang vor polemischer Zuspitzung und persönlichen Attacken genießt, auch bei den kleineren Parteien. Manch einer mag das langweilig finden. Aber es tut der Stadt gut.

Es ist das persönliche Drama des Dietrich Wersich, dass er allen Umfragen zufolge trotz dieser fachlichen und persönlichen Eignung kaum eine Chance hat, Olaf Scholz aus dem Amt zu drängen. Bei der Frage nach dem Warum drängen sich drei Antworten auf. Erstens gibt es keine Wechselstimmung in der Stadt. Wersich kann, wie beim Duell, noch so viele Fakten über hohe Kriminalitätsraten und niedriges Bruttosozialprodukt referieren – die gefühlte Realität ist eine andere: Die Wirtschaft in Hamburg brummt, die Stadt erzielt Haushaltsüberschüsse, und unsicher muss man sich hier, anders als vor dem Machtwechsel 2001, auch nicht fühlen. Einzig bei der Busbeschleunigung trifft seine Kritik den Nerv größerer Bevölkerungsteile, daher reagiert der Senat kurz vor Wahl mit dem Signal: Wir haben verstanden, wir planen neu.

Der zweite Grund ist in den Parteien zu suchen. Während die SPD ihrem Vorsitzenden geradezu ergeben ist und ihn als den Garanten des Machterhalts vorbehaltlos unterstützt, haben sich Teile der CDU nur sehr zögerlich hinter Wersich gestellt. Dass hinter den Kulissen schon einige mit den Hufen scharren und unken, ab welchem Ergebnis der Fraktionschef „weg“ ist, ist eine Bürde für den Kandidaten. Im Übrigen erhöhen interne Scharmützel nicht eben das Vertrauen in die Regierungsfähigkeit der CDU.

Drittens schlägt der Amtsbonus zu Buche. Olaf Scholz hat sich seit 2011 von einem respektierten, aber nicht geliebten Technokraten zu einer neuen Art von Landesvater gewandelt, der weniger an das Herz als an den Verstand der Bürger appelliert: Vertraut mir, bei mir ist die Stadt in guten Händen. Dass er seine Versprechen gehalten, zudem etliche große Probleme wie Elbphilharmonie und Rote Flora gelöst und dabei kaum Fehler gemacht hat, hat ihm eine Aura der Unfehlbarkeit eingetragen – gegen diese Macht des Faktischen hat kein Herausforderer, dem ja nur die Macht der Worte bleibt, eine Chance. „Augenhöhe“ konnte Wersich daher nur beim direkten Duell herstellen. Das, immerhin, ist ihm gelungen.

Der Autor ist Redakteur im Ressort Landespolitik