Ein Geständnis von Holger True

Es hilft ja nichts. 40 Jahre nachdem es eingespielt wurde, zum Jubiläum also, ist die Zeit reif für ein Geständnis: Ich habe Keith Jarretts „Köln Concert“ immer geliebt.

Zugegeben, als Jugendlicher stand das Doppelalbum nicht offen im Plattenregal, genauso wenig wie Abbas „Arrival“ und „Gone To Earth“ von Barclay James Harvest. Schließlich wollte ich mich keinesfalls als Hörer von „Mädchenmusik“ outen, wenn Kumpels zu Besuch kamen. Mein (männlicher) Freundeskreis war nämlich zeitweise wenig tolerant. Was nicht mit drei Akkorden auskam und – Gott bewahre! – eine Melodie hatte, galt als „Dreck“. Und das war noch die freundliche Formulierung.

Aber Qualität setzt sich durch, und so steht Jarretts 66-minütiges Meisterstück längst für jedermann sichtbar im Regal. Immerhin habe (nicht nur) ich dem gefühlvollen Solo-Klavier-Recital einiges zu verdanken: romantische Jugendzimmerabende mit denen, die Mädchenmusik mögen. Mädchen nämlich. Wenn der Kräutertee im braunen Tonbecher dampfte und die Tropfkerze auf der leeren Chiantiflasche flackerte, waren die vom sensiblen Amerikaner wie flüchtig hingeworfenen Pianotöne der ultimative Stimmungsabrunder.

Und heute? Reichen schon wenige Sekunden des Albums, um plötzlich wieder 17 zu sein oder sich jedenfalls so zu fühlen. Das muss man erst mal schaffen. Danke, Keith Jarrett!