Das wahabitische Königreich Saudi-Arabien ist Verbündeter des Westens – und dabei intolerant und grausam wie dessen Gegner

Vier kräftige Polizeischergen zerrten die schreiende junge Frau am 12. Januar durch die Straßen der saudischen Stadt Mekka auf einen von Gaffern umstandenen Hinrichtungsplatz. Laila Bint Abdul Muttalib Basim, eine in Saudi-Arabien lebende Birmanin, war zum Tode durch Enthauptung verurteilt worden, weil sie angeblich ihre sieben Jahre alte Stieftochter missbraucht und ermordet haben sollte. Ein Vorwurf, den sie mit aller Kraft bestritt.

Während die Frau immer wieder verzweifelt beteuerte, dass sie unschuldig sei, drückten die vier Männer sie nieder. Sie schrie, als das Schwert zum ersten Mal in ihren Nacken fuhr. Insgesamt benötigte der Henker drei Schläge, um den Kopf der Frau buchstäblich abzuhacken. Üblicherweise werden Delinquenten starke Beruhigungs- und Betäubungsmittel gespritzt. Doch wie aus Mekka berichtet wurde, hatte man der Frau diese Gnade nicht gewährt – offenbar, um sie noch mehr leiden zu lassen. 87 Menschen wurden 2014 in Saudi-Arabien mit dem Schwert hingerichtet; hinzu kommen Amputationen.

Derweil droht dem saudischen Blogger und Menschenrechtsaktivisten Raif Badawi am Freitag in Dschidda die zweite Rate von 50 Peitschenhieben. Nach der ersten Tortur war der Gesundheitszustand des zierlichen Mannes so schlecht, dass die Prozedur verschoben werden musste. Badawi ist zu irrwitzigen 1000 Peitschenhieben mit einem Rattanstock, zehn Jahren Haft und einer Geldstrafe von fast 200.000 Euro verurteilt wurden. Die Körperstrafe könnte auf eine qualvolle Hinrichtung auf Raten hinauslaufen. Die „Schuld“ Badawis besteht darin, dass er Muslime, Christen, Juden und Atheisten als gleichwertig bezeichnet hat. Ein Gesetz stellt jedoch jede Infragestellung der Vormachtstellung des Islam in Saudi-Arabien unter strengste Strafe. Allein dafür, dass er es wagte, Badawi vor Gericht zu vertreten, wurde sein Anwalt zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Das Terror-Urteil gegen Badawi, das der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, als „unmenschlich“ bezeichnet hat, wirft ein grelles Licht auf ein Land, das von den USA als enger Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus betrachtet wird. Dabei ist Saudi-Arabien wohl die intoleranteste Despotie der gesamten islamischen Welt – von den mörderischen Fanatikern des „Islamischen Staates“ abgesehen – und steht seit Langem im Verdacht, den sunnitischen Terror zu fördern. Es ist wohl kein Zufall, dass 15 der 19 Attentäter vom 11. September 2001 Saudis waren; ebenso wie Al-Qaida-Mitbegründer Osama Bin Laden. Das Königshaus bekämpft die Terrormiliz IS, weil den radikalen Eiferern der verschwenderische Prunk der mehr als 8000 Prinzen ebenso ein Dorn im Auge ist wie die Kooperation mit dem Westen. Saudi-Arabien ist ein Gottesstaat, dessen wahabitisch-salafistische Variante als „einzig wahrer Islam“ behauptet wird; Schiiten etwa werden gar nicht als Muslime akzeptiert. Das öffentliche Praktizieren anderer Religionen ist streng verboten; Saudi-Arabien gilt neben Pakistan als das Welt-Zentrum des islamischen Fundamentalismus. Der 90-jährige, kranke König Abdullah – im Vergleich zu den mächtigen klerikalen Traditionalisten geradezu ein Liberaler – ist ein absoluter Monarch, der über dem Gesetz steht. Er ist Staatsoberhaupt und Premierminister und kommandiert Armee, Geheimdienste und Polizei. Parteien, Opposition, Streiks und Gewerkschaften sind verboten. Die Rechte von Frauen sind drastisch eingeschränkt.

Das Problem für den Westen ist, dass dieser unerquickliche „Verbündete“ über die größten Ölreserven der Welt und starke Streitkräfte verfügt, die größte Volkswirtschaft im arabischen Raum ist – 16-mal so groß wie die Ägyptens – und dass ein politischer Zusammenbruch Saudi-Arabiens oder gar eine Übernahme durch noch radikalere Salafisten die geostrategische Situation in katastrophaler Weise verändern würde. De facto garantieren die USA den Bestand des Regimes gegen Öllieferungen und eine Stabilisierung der Region. Zudem ist Saudi-Arabien Rivale und Gegengewicht zum schiitischen Iran.