Ein E-Mail-Wechsel von Abendblatt und „Cicero“

Christoph Schwennicke (r.), Chefredakteur des Magazins „Cicero“, und Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, pflegen eine E-Mail-Freundschaft, die wir jeden Sonnabend veröffentlichen.

Lars Haider: Lieber Christoph, wahrscheinlich arbeitet bei euch zwischen den Jahren gar keiner, oder? :-) Wir in Hamburg erstellen in diesen Tagen immer eine Übersicht, wer und was im neuen Jahr für die Stadt wichtig wird. Macht ihr so was auch für das politische Berlin? Und wenn nicht: Auf wen müssen wir denn 2015 in der Bundespolitik achten (und auf wen nicht)?

Christoph Schwennicke: Cicero ist voll bei der Arbeit!! Was denkst du denn!? Obwohl das ja wohl das arbeitnehmerfreundlichste Weihnachten/Neujahr seit Christi Geburt ist. Mit wenigen Urlaubstagen baut man leicht eine Riesenbrücke. Zur Sache: Erst mal sollten wir alle auf Bernd Lucke und seine AfD schauen. Lucke greift nach der Alleinherrschaft, und seine Truppe wird gerade einem Pegida-Belastungstest unterzogen. Eure Wahl in Hamburg spielt im weiteren Verlauf eine Schlüsselrolle, ob es die Partei so schnell wieder zerlegt, wie sie entstanden ist. Oder ob sie sich etabliert.

Haider: Was glaubst du? Im Moment liegt die AfD in Umfragen bei vier Prozent, aber das muss gar nichts heißen. Ich habe neulich eine Podiumsdiskussion mit einem der führenden AfD-Köpfe Hamburgs und mehreren Kulturschaffenden moderiert, es ging um den Umgang mit Flüchtlingen. So eine aufgeheizte Stimmung habe ich selten erlebt, von beiden Seiten. Ich könnte mir aber vorstellen, dass gerade so etwas der AfD nutzt.

Schwennicke: Ich bin mir da nicht mehr so sicher. Die Tuchfühlung zu Pegida könnte schaden. Weil man jetzt sieht, wem sich die AfD nahefühlt. Und Rühmliches sieht man da nicht. Das kann viele Bürgerliche auch verprellen. Hans-Olaf Henkel warnt deshalb seine Partei vor dieser Nähe. Er spürt die Gefahr der falschen Freunde.

Haider: In Hamburg wird es die AfD nicht nur deswegen schwer haben. Was würde es für die Partei bedeuten, wenn ihr der Einzug in die Bürgerschaft nicht gelingt?

Schwennicke: Wenn es in Hamburg nicht klappt, droht die Rutschbahn. Hamburg muss klappen, Baden-Württemberg auch. Sonst wird es nichts mit dem Bundestag. Und noch ist die AfD in einem Zustand wie ein Hummer in der Häutung. Äußerst verwundbar. Der Panzer ist noch lange nicht ausgehärtet.