Mit dem Ende des Kalten Krieges in der Karibik eröffnen sich für beide Länder neue Chancen

Die seit mehr als einem halben Jahrhundert geradezu zwanghaft institutionalisierte Feindschaft zwischen den USA und dem Karibikstaat Kuba ist eine Art Quastenflosser der internationalen Politik – ein lebendes Relikt aus einer untergegangenen Zeit.

Für konservative Amerikaner stehen Kuba und das Brüderpaar Castro allerdings weiterhin für jenen sozialistischen Gottseibeiuns, dem sich die USA jahrzehntelang mit Erfolg entgegenstemmten. Andererseits ist auch der kubanische Sozialismus in seiner autoritär-diktatorischen Realität ein gescheitertes politisches Experiment, das auf die Mülldeponie der Geschichte gehört.

Der Umstand, dass US-Präsident Barack Obama couragiert eine Bresche in die Mauer um Kuba schlägt, ist sicher auch der Tatsache geschuldet, dass Obama in seiner zweiten und letzten Amtszeit nicht mehr auf drohende Wahlen Rücksicht zu nehmen hat. Der Demokrat riskiert nun einen weiteren Aufruhr im republikanisch dominierten Kongress.

Die wütenden Reaktionen republikanischer Politiker sind ein Indiz mehr für die geistige Wagenburgmentalität vieler amerikanischer Konservativer.

Dabei haben weder Isolation noch Embargo einen Sturz des Castro-Regimes herbeizwingen können. Die verwitterte Feindschaft zwischen Washington und Havanna ist politisch längst sinnentleert. Hinzu kommt, dass die kubanische Einparteienherrschaft zwar diktatorischen Charakter hat, dass es weder eine Opposition noch freie Medien gibt, dass niemand in Kuba Karriere außerhalb des ehernen Zwangsrahmens der kommunistischen Partei PCC machen kann und dass es Tausende politische Häftlinge gibt – doch verglichen mit jenen Diktatoren, die die internationale Staatengemeinschaft sonst mit Isolationsmaßnahmen belegt – ob es der Iraker Saddam Hussein war, der Syrer

Baschar al-Assad ist oder gar der Nordkoreaner Kim Jong-un –, fallen die Castro-Brüder Fidel und Raúl eher unter die Kategorie Despot light. Wer mit China Beziehungen und Geschäfte pflegt, kann dies auch mit Kuba tun. Dort ist immerhin das Bildungssystem recht gut und sind wenigstens die sozialen Menschenrechte teilweise ordentlich umgesetzt. Die Lebenserwartung der Kubaner ist entsprechend hoch.

Und wenn sich eine konfrontative Politik wie die amerikanische in mehr als 50 Jahren als gescheitert erwiesen hat, dann wird es höchste Zeit, einen anderen Ansatz ins Auge zu fassen.

Eine Intensivierung der Wirtschafts- und Reisekontakte sowie eine Vitalisierung der maroden kubanischen Telekommunikationsbranche sind weitaus mehr als jedes Embargo dazu geeignet, die versteinerten Strukturen des Regimes aufzubrechen. Ohnehin hat eine experimentelle Öffnung Richtung Marktwirtschaft durch Raúl Castro längst den Hinweis gegeben, dass das Regime klar erkannt hat, in welcher wirtschaftspolitischen Sackgasse man herumstolpert. Zudem ist Kuba keine militärische Bedrohung für die Vereinigten Staaten; die einst mehr als 400.000 Mann starken, gut ausgebildeten Streitkräfte des Inselstaates zählen nur noch weniger als 50.000 Soldaten.

Man kann sagen, dass Amerika auch die Chance hat, historisch einiges gutzumachen. Die USA hatten das Land 1898 nach dem spanisch-amerikanischen Krieg besetzt und sich auch nach der kubanischen Unabhängigkeit 1902 das Recht auf jederzeitige Intervention vorbehalten – der berüchtigte Militärstützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba ist ein Überbleibsel dieser Sonderrechte.

Barack Obama kann die Embargogesetze nicht ohne den Kongress außer Kraft setzen. Aber es ist denkbar, dass er als jener Präsident in Erinnerung bleiben wird, der den Mut aufbrachte, den Kalten Krieg in der Karibik zu beenden.

Der Verfasser ist Chefautor des Hamburger Abendblatts