Ist der Wechsel von Azzouzi zu Meggle zu Lienen ein großer Wurf oder nur Aktionismus?

Wenn es im Profifußball darum ginge, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Posten neu zu besetzen, hätte der FC St. Pauli in dieser Saison allerbeste Chancen auf die deutsche Meisterschaft. Tatsächlich aber ist der Kiezclub Schlusslicht der Zweiten Liga, hat an diesem Mittwoch in der Partie beim Tabellenführer Ingolstadt, dem erst 18. Punktspiel der Saison, in Ewald Lienen schon den dritten Cheftrainer auf der Bank, während Vorgänger Thomas Meggle auf der Tribüne den Platz des am Dienstag beurlaubten Sportchefs Rachid Azzouzi einnimmt. Erst vor gut einem Monat hatten die Mitglieder einem komplett neuen Präsidium unter Führung von Oke Göttlich und fünf neuen (von insgesamt sieben) Aufsichtsratsmitgliedern ihr Vertrauen geschenkt.

Die beiden neuen, ehrenamtlich tätigen Mitglieder bei beiden Führungsgremien haben mit ihren Trainer- und Sportchef-Beschlüssen bewiesen, dass sie nicht nur sehr diskutierfreudig, sondern auch handlungsfähig und entscheidungsmutig sind. Doch dies allein ist längst noch keine Erfolgsgarantie. Nach den zwei jüngeren, nach modernen Methoden ausgebildeten Fußballlehrern Roland Vrabec und Thomas Meggle soll es jetzt also ein Trainer mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung im Profibereich richten. Ein alter Hase, sozusagen. Dafür sitzt jetzt Meggle als Berufsanfänger in diesem Job auf dem Stuhl des Sportchefs.

Niemand kann heute seriös vorhersagen, ob diese Konstellation kurzfristig zum wirtschaftlich dringend notwendigen Klassenverbleib und mittelfristig zu einer nachhaltig positiven, sportlichen Entwicklung führen kann. Die Frage lautet: Steckt hinter den in dieser Form und zu diesem Zeitpunkt überraschenden Entscheidungen ein durchdachtes, für einen längeren Zeitraum tragfähiges Konzept, also ein großer Wurf, oder ist es purer Aktionismus, der letztlich nur dem Prinzip Hoffnung folgt? Es ist offensichtlich, dass die Clubführung das St.-Pauli-Idol Meggle weiter binden wollte, auch wenn er als Trainer der von Problemen belasteten Profimannschaft schon nach 13 Spielen ratlos wirkte. Ein bisschen St.-Pauli-Gen sollte eben doch erhalten bleiben.