Die Koalition aus SPD und Union hat bislang wenig geschafft – außer Geld auszugeben

Große Koalitionen sind der ungeliebte Sonderfall in der bundesrepublikanischen Geschichte – die Bündnispartner fremdeln miteinander, die Wähler hadern, die politischen Beobachter sorgen sich um die Demokratie. Nie hielt ein Bündnis auf Bundesebene länger als eine Legislaturperiode: Es sind Vernunftehen auf Zeit, keine Liebesheiraten. Das war oft nicht die schlechteste Basis. Als das Wirtschaftswunder Mitte der 60er-Jahre abrupt endete, brachte Schwarz-Rot unter Kanzler Kiesinger und Wirtschaftsminister Karl Schiller das Land zurück in die Erfolgsspur. 2005 wagte die Große Koalition unter Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Franz Müntefering überfällige Reformen wie die Rente mit 67 und steuerte das Land geschickt durch die Finanzkrise.

Eingedenk dieser Historie hätte das Echo auf den Start des Bündnisses aus Union und SPD am 17. Dezember 2013 positiver ausfallen können. Damals überwog die Skepsis. Heute weiß man: zu Recht. Dieser Großen Koalition mangelt es an der großen Idee, ihr Handwerk ist das Klein-Klein. Die Groteske um die Maut erinnert eher an das Königlich Bayerische Amtsgericht, aber nicht an kluges Regierungshandeln.

Politische Gräben werden nicht mit Brückenschlägen überwunden, sondern mit Geldsäcken zugeschüttet. Das erste Jahr prägte eine Politik des Sowohl-als-auch: Wenn die SPD den Einstieg in die Rente mit 63 wünscht und die Union der Mütterrente, sucht man keine Einigung, sondern macht kurzerhand beides. Große Koalitionen sind keine Bündnisse für Schönwetterperioden, sondern für Krisenzeiten. Brummt die Wirtschaft, wird eine Große Koalition aber schnell übermütig.

Neben den Rentengeschenken kommt der Mindestlohn, die Frauenquote light, die Pflegereform – für jedes Gesetz gibt es gute Argumente. In ihrer Ballung aber sind sie eher Schocktherapie für die Wirtschaft. Sollten sie dann eine negative Wirkung entfalten, wäre es zu spät. Geld ist schnell verteilt, aber ungleich schwerer wieder einzusammeln.

Genau das könnte die Aufgabe werden, wenn die Konjunktur zu lahmen beginnt. Weder ist die Euro-Krise ausgestanden noch der Ukraine-Konflikt noch die Schwäche der Schwellenländer – ein Blick auf die Börse genügt. Mit dem gemütlichen Regieren dürfte es in Berlin bald vorbei ist.

Dabei sehen die Bundesbürger schon die ersten zwölf Monate kritisch. Nach einer Umfrage des „Sterns“ fordern rund vier von fünf Deutschen, dass die Große Koalition mehr als bisher tun muss, um die Zukunft Deutschlands zu sichern.

Nur spricht einiges dafür, dass die Große Koalition in den kommenden Monaten eher mit sich beschäftigt ist als mit dem Land und seinen Herausforderungen. Der Ton ist in den vergangenen Wochen deutlich rauer geworden. Gerade die SPD steht vor einem Problem, das ihre Mitarbeit grundsätzlich infrage stellt: Die Sozialdemokraten bestimmen bislang zwar die Richtlinien der Regierungspolitik und haben mit Andrea Nahles, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier drei Aktivposten im Kabinett, doch Angela Merkel überstrahlt alle. 40 Prozent der Bundesbürger haben den Eindruck, dass die Union bislang mehr Akzente in der Koalition setzt, nur 30 Prozent sehen die SPD als treibende Kraft. Den Sozialdemokraten dämmert: Aus einer Großen Koalition heraus kann der Juniorpartner nicht mehr gewinnen.

Der Union wiederum – darauf deuten etwa die wachsenden Proteste der Pegida hin – könnte ein Problem am rechten Rand erwachsen. Die Sozialdemokratisierung der Union stößt an eine Grenze. Entweder die CDU fängt mit Ausfallschritten nach rechts konservative Wähler wieder ein – oder die CDU läuft Gefahr, mit der AfD einen dauerhaften Wettbewerber zu bekommen. Die Linkspartei als Quälgeist der SPD sollte der Union Warnung genug sein.