Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß bleiben ein zentrales Problem in den Vereinigten Staaten – trotz Obama

Man staunt oft über das, was in den Vereinigten Staaten von Amerika geschieht, und meistens hat dieses Staunen einen positiven Hintergrund. Etwa, wenn wir aus Europa nach Kalifornien blicken und bewundernd anerkennen, wie kreativ und innovativ die dortigen Internetfirmen sind, fast als seien sie nicht von dieser Welt. Das ist das Amerika, das wir meinen, wenn wir vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten sprechen und uns auf den weiten Weg über den Atlantik machen, um von denen da drüben zu lernen.

Das andere Amerika gibt es leider auch. Es ist ein Land, das uns ratlos, traurig und wütend zurücklässt, zum Beispiel wenn es um den Gebrauch von Waffen oder um Hinrichtungen geht. In diesen Tagen und Wochen fällt es besonders schwer, eine Seite der US-Wirklichkeit zu verstehen, von der die Europäer eigentlich dachten, dass sie vor 50 (!) Jahren abgeschafft worden sei. In Wahrheit ist der Rassismus nie weg gewesen, in Wahrheit gibt es gegen Afroamerikaner Vorbehalte und für Afroamerikaner große Nachteile in einem Land, das zum ersten Mal in seiner Geschichte von einem farbigen Präsidenten regiert wird.

Vielleicht sind die umstrittenen Gerichtsentscheidungen, nach denen sich Polizisten nicht verantworten müssen, obwohl sie Afroamerikaner getötet haben, die größte Niederlage für Barack Obama. Der Traum vieler Wähler, dass die USA in seiner Regierungszeit in diesem Punkt weiterkommen, dass sich die Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß nicht nur langsam, sondern deutlich verringern, hat sich nicht erfüllt. Ausgerechnet eine der größten, wichtigsten und im Kern auch funktionsfähigsten Demokratien bekommt eines ihrer Kernprobleme nicht in den Griff.

Das zeigt sich nicht nur bei den jüngsten Justizskandalen, die einmal mehr die Menschen protestierend und fassungslos auf die Straßen treiben. Es zeigt sich auch, wenn man sich den Alltag der Afroamerikaner in den Vereinigten Staaten ansieht. Ihr Risiko, von einem Polizisten verhaftet oder gar verletzt zu werden, ist um einiges höher als das eines weißen Amerikaners. Heißt im schlimmsten Fall: Nur die Hautfarbe kann einen Menschen das Leben kosten.

Das ist nicht zu glauben, aber in den USA leider Realität, nicht nur in den vergangenen Wochen, sondern immer wieder, allen Beteuerungen auf Besserung zum Trotz. Kommt hinzu, dass die Afroamerikaner auch sonst weit weg davon sind, gleichberechtigte US-Bürger zu sein, als sei es völlig gleichgültig, dass die Verfassung ja genau das längst vorsieht. Sie haben im Schnitt eine schlechtere Bildung beziehungsweise Ausbildung als weiße Amerikaner, sind häufiger arbeitslos, verdienen weniger und haben ein größeres Risiko, arm zu werden.

Das sind keine statistischen Zufälle, sondern Fakten, die sich, wenn überhaupt, nur langsam ändern. Und für die es wenig andere Gründe gibt als die Tatsache, dass es den USA und ihren Politikern seit und mit der Abschaffung der gesetzlichen Rassentrennung nicht gelungen ist, die gesellschaftliche Wirklichkeit so zu verändern, dass Vorfälle wie jene der jüngsten Vergangenheit auszuschließen sind.

Vielleicht kann man das in 50 Jahren nicht erwarten, vielleicht haben Vorurteile und Vorbehalte eine deutlich längere Halbwertzeit. Trotzdem ist es enttäuschend, dass ausgerechnet die Vereinigten Staaten von Amerika, der vermeintliche Inbegriff von Freiheit und Gerechtigkeit, in diesem zentralen Punkt ihrer Gesellschaft und ihrer Geschichte versagen. Und es kann noch schlimmer kommen: Wenn sich am offenen Rassismus selbst unter einem farbigen Präsidenten nichts ändert, ist zu befürchten, dass auf diesem Feld gar nichts mehr geschieht. Selbst dann nicht, wenn Menschen sinnlos ihr Leben lassen müssen.