Grass möchte Flüchtlinge notfalls zwangseinquartieren

Kultur will und muss sich einmischen, sie möchte und soll unbequem sein. Nichts ist so langweilig wie Literaten, die den Staat lobpreisen, Musiker, die das System besingen, oder Maler, die die Gesellschaft in Pastelltönen pinseln. Widerspruch wird nicht nur erwartet, er ist erwünscht.

Manchmal allerdings treibt die Sehnsucht nach der Provokation in einer toleranten Gesellschaft seltsame Blüten. Wie sich nun die Autorenvereinigung PEN in Hamburg als aufrechte Stimme in einer ungerechten Welt inszeniert, hat etwas Selbstverliebtes, Anmaßendes, ja Weltfremdes. Der deutsche PEN warf der Politik „eklatantes Versagen“ vor, will sich fortan offen politisch einmischen und die „Festung Europa“ knacken.

PEN-Ehrenpräsident Christoph Hein geißelte die „Mauer aus Geld“, die schon jetzt mehr Tote gefordert habe als die Berliner Mauer. Das ist ein ziemlich schräger Vergleich, ein geschmackloser gegenüber den Erschossenen an der innerdeutschen Grenze obendrein. Immerhin thematisiert der PEN damit den Mauerbau – das PEN-Zentrum DDR hatte das Thema bis 1989 konsequent totgeschwiegen. Ehrenpräsident Günter Grass mischte sich in die Flüchtlingspolitik ein und nannte Zwangseinquartierungen eine Option, sollte es Notfälle bei der Unterbringung geben.

Kein Zweifel, beide beherrschen die Provokation. Aber Provokation um der Provokation willen verkommt zur billigen Masche. Wer den Forderungen der Literaten lauscht, mag daran zweifeln, ob das versprochene Einmischen dem PEN und dem Land guttut. Mit derlei wohlfeilen Parolen beschädigen große Schriftsteller wie Grass und Hein ihren Ruf. Sie befördern die Politikerverdrossenheit und radikalisieren die Debatte. Plumpe Parolen werden nicht klüger, wenn sie aus dem Munde eines Literaten kommen. Auch der Flüchtlingspolitik erweisen sie einen Bärendienst. Anders als früher ist Deutschland toleranter geworden – Rufe von Zwangseinquartierungen gefährden diese Öffnung.

Der PEN wünscht sich Widerhall. Radikale Positionen mögen helfen, gehört zu werden. Erhört werden sie sicher nicht.