Mehr Frauen in Führungspositionen geht allein über einen gesellschaftlichen Wandel

Endlich ist das monatelange Gezerre vorbei. Deutschland soll ab 2016 eine gesetzliche Frauenquote für die Besetzung von Aufsichtsräten großer Unternehmen erhalten. Eigentlich ist es ein Armutszeugnis für unser Land im 21. Jahrhundert, dass dieser Schritt zu mehr Präsenz von Frauen in Spitzenpositionen per Gesetz von der Bundesregierung auf den Weg gebracht werden muss. In der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt sollte es längst eine Selbstverständlichkeit sein, dass Konzerne in einem ausgeglichenen Verhältnis von Männern und Frauen geführt werden.

Doch die Erfahrung hat gezeigt: Jahrelange Appelle an die Führungsetagen und freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen haben keine Früchte getragen. Der erhoffte Erfolg, dass deutlich mehr Frauen in Vorstände und Aufsichtsräte befördert werden, stellte sich nicht ein. Vor diesem Hintergrund ist der Schritt der Großen Koalition konsequent und überfällig. Ob die Vorgaben ausreichen, einen tief greifenden Wandel in der Arbeitswelt einzuleiten, ist zu bezweifeln. Aber immerhin werden die Weichen in die richtige Richtung gestellt – zu mehr Gleichberechtigung.

Große Euphorie ist jedenfalls nicht angezeigt. Die Vereinbarung der schwarz-roten Koalition allein wird nicht zu einer völlig neuen Konzernwelt führen. Dazu geht die Vereinbarung nicht weit genug. Betroffen sind nur gut 100 börsennotierte Unternehmen, darunter fünf Firmen in Hamburg. Beiersdorf, Fielmann, Jungheinrich, Aurubis und die HHLA müssen wie viele andere nachbessern. Vom übernächsten Jahr an sollen sie 30 Prozent der Aufsichtsratssitze mit Frauen besetzen, also in der Regel ein bis drei Frauen neu berufen. Das dürfte kein seriös aufgestelltes Unternehmen in Schwierigkeiten bringen, wie es von manchen Verbandslobbyisten und Unternehmern suggeriert wird. Schließlich handelt es sich bei Aufsichtsräten nicht um die operativen Lenker der Konzerne, die bekanntermaßen in den Vorständen sitzen. Es geht nur um die Besetzung der Kontrollgremien – also einer Gruppe meist unternehmensfremder Manager und Managerinnen, die das Handeln der Vorstände kontrollieren und sie beraten. Weitere 3500 Firmen können sich ihre eigenen Ziele setzen, die übrigen Zigtausend deutschen Unternehmen haben weiter freie Hand in ihrem Tun. Zudem drohen selbst bei Nichtumsetzung der Quote keine Sanktionen, außer jene, dass der Stuhl dann unbesetzt bleiben soll. Eine Regel, die unterm Strich sogar Geld einsparen kann, dürfte die Einhaltung des neuen Gesetzes nicht gerade befördern.

Die neue Quotenregelung kann somit nur ein Anfang sein. Damit Frauen künftig selbstverständlich und stärker in Toppositionen vertreten sind, bedarf es eines grundlegenden, gesellschaftlichen Kulturwandels. Eines, der die Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern und in Familien neu definiert, in dem Gleichberechtigung tatsächlich gelebt wird. Noch immer sind es heute die Frauen, die sich mehrheitlich um die Kindererziehung kümmern und dafür fast selbstverständlich einen Karriereknick akzeptieren. Bislang nutzen noch viel zu wenige Väter ihre Elternzeit – und wenn, dann oft nur für zwei Monate. Eine paritätische Aufteilung der Paarpflichten könnte hier Wunder wirken, erst recht, wenn diese auch von Firmenchefs vorbildhaft gelebt würde. Flexible Arbeitszeitmodelle müssten für Männer und Frauen zum Regelangebot zählen. Zudem braucht das Land Vorstände, die mehr Hochschulabsolventinnen und Fachfrauen einstellen. Abiturientinnen sollten ermutigt werden, mehr naturwissenschaftliche und technische Fächer zu studieren, in denen die beruflichen Aufstiegschancen besonders gut stehen. Dies sind nur einige Stellschrauben für mehr Frauenpräsenz an der Spitze. Wir alle haben es in der Hand, an ihnen zu drehen – wenn wir es nur wollen.