Sie haben Hamburg geprägt wie kaum etwas anderes in den vergangenen Jahrzehnten

Wie könnten die Hamburger stolz darauf sein, dass ihre Stadt zu den großen Musical-Metropolen der Welt gehört! Sind sie aber nicht, zumindest nicht genug. Die großen Musicals entfalten ihre Anziehungskraft vornehmlich außerhalb der Landesgrenzen, sie prägen das Bild Hamburgs vor allem in anderen Teilen Deutschlands und Europas.

Die Hamburger selbst verbinden mit ihrer Stadt eher den Hafen, die Alster und den Michel als „König der Löwen“, „Rocky“ oder, von diesem Wochenende an, „Das Wunder von Bern“. Das ist ungerecht, weil es die Verdienste, die sich die Musical-Macher um die Bekanntheit und Beliebtheit der Hansestadt in den vergangenen Jahrzehnten erworben haben, unzureichend würdigt.

Deshalb sei es an dieser Stelle einmal klar ausgesprochen: Es ist erstaunlich und bewundernswert, wie es einem Teilbereich der Kultur gelungen ist, der Marke Hamburg eine weitere, immer stärker werdende Facette hinzuzufügen. Ja, wenn Hamburg heute anderswo mit Kultur in Verbindung gebracht wird, dann liegt das sehr oft an den von sogenannten Hochkulturschaffenden gern belächelten und fast immer geschnittenen Musicals: Damit sind die Großen, etwa in den reinen Musicaltheatern im Hafen, genauso gemeint wie die Kleinen, zum Beispiel im St. Pauli Theater oder im Schmidts Tivoli.

Das alles ist eine Erfolgsgeschichte, an die man in der Stadt immer mal wieder erinnern muss, weil sonst die Gefahr besteht, dass sie als allzu selbstverständlich hingenommen wird. Eine Erfolgsgeschichte, die Hamburg Millionen von Besuchern und Milliarden von Einnahmen beschert hat, dazu nahezu kostenfreie Werbung für die Stadt. Niemand weiß genau, wie viele Menschen tatsächlich vor allem wegen eines Musicals nach Hamburg gekommen sind, aber Fakt ist: Oft sind es die Musicals, die dazu führen, dass Besucher immer wieder gerne nach Hamburg kommen. Insofern ist es nur konsequent, dass auch die Stadt in ihrem Marketing in den vergangenen Jahren auf die Musicals gesetzt hat, nach dem Motto: Stärken stärken.

Wer darauf neidisch ist und mehr Werbung für seine Organisation, sein Theater, etc. fordert, der sollte sich die Entwicklung der Musicals in Hamburg noch einmal genau ansehen. Denn selbstverständlich hat dieser Teil der Unterhaltungsindustrie in der Stadt klein angefangen, teils mit großen Problemen, teils mit wirtschaftlichen Rückschlägen. In der Anfangszeit wäre kaum jemand, der Verantwortung für das Hamburg-Marketing trug, auf die Idee gekommen, massiv mit Musicals für einen Besuch der Stadt zu werben. Nein, die Branche musste erst in Vorleistung treten, sie musste eigenes (wirtschaftliches und künstlerisches) Risiko eingehen und zu einem (wirtschaftlichen und künstlerischen) Faktor werden, ehe sie eine Rolle in der hamburgischen Außendarstellung spielte. Was kein Privileg ist, sondern etwas, das auch andere Bereiche, ob nun aus Sport, Gesellschaft oder Kultur, erreichen können und erreichen können sollten. Dafür braucht man nicht einmal ein großes Unternehmen oder millionenschwere Geldgeber im Hintergrund. Manchmal reicht nur eine gute Idee und eine klare Strategie, siehe Miniatur Wunderland. Auch das ist heute für Hamburg wichtiger als umgekehrt.

Bleibt die Frage, was denn nun das beste Musical Hamburgs ist und wie man das überhaupt bewerten will: nach Zuschauerzahlen? Spieldauer? Kritiken? Die Diskussion wird an diesem Wochenende eine neue Wendung erhalten, wenn am Hafen neben dem „König der Löwen“ das „Wunder von Bern“ Weltpremiere hat. Und sich Beobachter die Frage stellen: Kriegt dieses Hamburg von Musicals eigentlich nicht genug? Die einfache Antwort: Nein. Und, um es mit dem berühmten Satz von Klaus Wowereit zu sagen: Das ist auch gut so.