… aber nach einer Rast flatternd wieder hochfliegen, dann haben wir es mit einer Frage der Getrennt- oder Zusammenschreibung zu tun

Wenn jetzt im Herbst hier in Stormarn hoch am Himmel Formationen von Wildgänsen in V-Form gen Süden ziehen und dabei ohne GPS und Google Earth unbeirrbar einer Route folgen, die nicht ohne Grund „Vogelfluglinie“ genannt wird, wenn wir ihre Rufe hören und uns fragen, ob es sich dabei um Kommandos oder um Abschiedslaute handelt, dann überfällt mich immer ein leichtes Schaudern bei der Erkenntnis, dass auf den Herbst der Winter folgen wird. Doch wollen wir in dieser Kolumne nicht in eine Endzeitstimmung verfallen, sondern die ganz banale Rechtschreibfrage stellen, ob es sich um hoch fliegende oder um hochfliegende Gänse gehandelt hat.

Leider dürfen wir bei der deutschen Orthografie nicht nur die Zeichenfolge im Auge haben, können die Wörter also nicht einfach so lernen wie die Vokabeln einer fremden Sprache, sondern müssen neben der Groß- und Kleinschreibung leider auch darauf achtgeben bzw. Acht geben, ob Wörter, Wortgruppen und Verbindungen getrennt oder zusammengeschrieben werden. An dieser Stelle wird es kompliziert, und sogar mancher Muttersprachler fühlt sich, als sei er im Dschungel der deutschen Rechtschreibung alleingelassen (im Stich) oder allein gelassen (ohne Gesellschaft) worden.

Klaus Mackowiak erklärt in seinem Taschenbuch über die häufigsten Fehler im Deutschen den Flug der Gänse so: Bei Verbindung aus „hoch“ und Verb wird getrennt geschrieben, wenn man hoch mit „in großer Höhe“ (wo?) umschreiben kann. Aha, deshalb haben wir es also bei den hoch fliegenden Gänsen mit einem Schauspiel in großer Höhe zu tun. Falls der Gänseschwarm jedoch irgendwann müde wird, in den Elbmarschen zwischenlandet und nach einiger Zeit neu startet, dann können wir hochfliegende Vögel beobachten. Wir sollen uns jetzt die Frage stellen, wohin fliegen die Gänse, müssen uns die Antwort „nach oben“ geben und wegen dieses Startvorgangs hochfliegen zusammenschreiben.

Es liegt mir fern, die Erklärungsversuche von Kollegen abwerten zu wollen, doch ich frage mich, wie viele Adjektivverbindungen wir eigentlich auf diese Weise einzeln auseinanderklamüsern müssten. Es geht auch einfacher, um nicht zu sagen: systematischer. Die Wortgruppen Adjektiv und Verb bzw. Adjektiv und Partizip werden getrennt geschrieben, wenn das Adjektiv in einer gegebenen Verbindung steigerbar oder erweiterbar ist. Uns kann etwas leicht fallen, bei einiger Übung vielleicht leichter fallen; wir werden manches schwer nehmen, den Tod eines Angehörigen sogar sehr schwer nehmen und das Ableben der Ehefrau noch schwerer nehmen. Das Unternehmen ist gut gegangen, hätte aber besser gehen können.

Die Wortgruppen Adjektiv und Verb bzw. Adjektiv und Partizip werden hingegen zusammengeschrieben, wenn das Adjektiv in einer gegebenen Verbindung weder gesteigert noch erweitert werden kann. Unsere hoch fliegenden Gänse dort oben könnten noch ein paar Meter höher fliegen (gesteigert und deshalb getrennt geschrieben), aber beim Starten vom Erdboden aus gibt es keine Steigerung der Richtung, sodass wir hochfliegen in diesem Fall zusammenschreiben.

Ein Zimmermann kann hoch (auf dem Dach) oder noch höher (auf dem Gerüst) arbeiten, aber der Angestellte möchte sich in der Firma hocharbeiten. Die Kollegin hat sich die Haare hochgesteckt, eine Frisur, die nicht zu toppen ist, denn höher als hoch kann sie sie nicht stecken. Wir lassen unseren Chef hochleben, was als Pflichtübung nicht steigerbar und deshalb ein zusammengeschriebenes Wort ist, obwohl wir dabei ein bisschen hochstapeln. Höher stapeln kann man die Container in Altenwerder, aber nicht unser scheinheiliges Auftreten.

Wir dürfen ein Wort am Anfang nur mit einem Großbuchstaben oder mit einem Kleinbuchstaben schreiben, zum Beispiel mit einem kleinen a oder mit einem großen A. Dazwischen gibt es nichts. Ein halb großes a oder ein gesteigertes A kennt unser Alphabet nicht, deshalb gilt in diesem Fall Zusammenschreibung. Das Wort wird großgeschrieben und das andere Wort kleingeschrieben. Da Oma die kleine Schrift in unserem Brief jedoch nicht lesen kann, werden wir ihr zuliebe beim nächsten Mal natürlich etwas größer schreiben.