Entwicklungs-Know-How darf nicht verloren gehen

Gern nimmt Airbus für sich in Anspruch, im Gegensatz zum US- Konkurrenten Boeing keine Unternehmenspolitik des „hire and fire“ zu verfolgen, Mitarbeiter bei Marktabschwüngen also nicht in großem Stil auf die Straße zu setzen. Selbst das berüchtigte „Dolores“-Sparprogramm in den 1990er-Jahren kam ohne betriebsbedingte Kündigungen aus. Und im so genannten Zukunftstarifvertrag ist sogar die Arbeitsplatzsicherung bis zum Jahr 2020 festgeschrieben.

Bisher fiel es Airbus allerdings aus einem bestimmten Grund leichter als Boeing, personalpolitisch gesehen eher ruhig durch Turbulenzen zu steuern: Der europäische Flugzeugbauer befand sich noch im Aufbau, die Produktpalette wurde ständig durch neue Typen erweitert. Zeitweise hat man sich dabei sogar übernommen. So wurden der A380, der A350, der A320neo und der Militärtransporter A400M innerhalb von nur 14 Jahren weitgehend parallel entworfen. Doch diese Aufbauphase ist nun abgeschlossen. Der Langstreckenjet A350, der demnächst in den Liniendienst geht, ist nach den Plänen des Vorstands die vorerst letzte komplette Neuentwicklung, vollständig neue Modelle soll es für etliche Jahre nicht mehr geben.

Das ist nicht nur ein Problem für den Hamburger Arbeitsmarkt und für die Zeitarbeitsfirmen, die einen erheblichen Teil der Entwicklungsingenieure stellen. Die neue Airbus-Firmenpolitik bringt die gesamte europäische Luftfahrtbranche in eine Situation, wie man sie seit langem nicht mehr kannte. Denn junge, fähige Ingenieure, die noch vor wenigen Jahren händeringend gesucht wurden, wollen an echten Innovationen arbeiten.

Wenn in der Luftfahrt die Perspektiven für sie fehlen, wandern hoch qualifizierte Mitarbeiter in andere Wirtschaftszweige ab – etwa zu Autoherstellern oder in den Sektor der erneuerbaren Energien. Doch voraussichtlich spätestens zur Mitte des kommenden Jahrzehnts steht bei Airbus ein neues Großprojekt an: Ein Nachfolger für die A320-Familie. Es gilt, bis dahin möglichst viel Entwicklungs-Know-How, das dann dringend benötigt wird, in der Luftfahrtbranche zu halten. Dieser Verantwortung muss sich der Airbus-Vorstand bewusst sein.