Auch wenn die Hamburger mal wieder auf einem Abstiegsplatz stehen – blinder Aktionismus wäre völlig fehl am Platz

Es soll ja HSV-Fans geben, die schon wieder nach einem neuen Trainer Ausschau halten. Nur weil ihr Verein mal wieder auf einem Abstiegsplatz steht. Dazu ist zu sagen, dass natürlich der HSV nicht allzu viel aus seinen vielen Fehlern der Vergangenheit gelernt hat, aber jene Anhänger, die nun schon wieder einen Ersatz für den gerade erst installierten Josef „Joe“ Zinnbauer verpflichten wollen, haben noch weniger begriffen. Wie viele Trainer sollen sich hier in Hamburg denn noch versuchen? Fest steht doch: Wer auch immer hier als neuer Coach und großer Hoffnungsträger an den Start gegangen ist, er hat es nicht geschafft, aus diesem HSV wieder eine Spitzenmannschaft in der Bundesliga zu formen. Es ging meistens nur weiter bergab. Und daraus ergibt sich dann nur folgende Frage: Gibt es überhaupt einen Wundermann, der in der Lage ist, diesen Club auf die Beine zu stellen? Im Moment ist ein solcher Zauberer nicht zu sehen, sodass die größten Hoffnungen auf dem forschen, unverbrauchten Zinnbauer ruhen.

Als Schalke 04 vor einigen Wochen einen Nachfolger für den beurlaubten Trainer Jens Keller vorstellte, da jubelte der Anhang der „Knappen“. Roberto Di Matteo, der große Roberto Di Matteo, der einst im Mai 2012 den FC Chelsea zum Gewinn der Champions League geführt hatte, übernahm das kriselnde Team. Und was sagte Di Matteo bei seiner ersten Pressekonferenz? „Ich habe mich schlaugemacht, Schalke 04 hat eine sehr gute Mannschaft.“ Jeder kann sich ja mal irren. Die „sehr gute Mannschaft“ sieht man im Moment weniger, denn sie steht auf Platz elf in der Bundesliga, mehr Niederlagen als Siege in der Bilanz. Und Schalkes Manager Horst Heldt befand nun nach dem 0:2 in Freiburg: „In allererster Linie sind die Spieler gefordert, die auf dem Platz stehen.“ Das ist mal eine revolutionäre Erkenntnis!

Und so wie auf Schalke kann die Sache mit einem Trainerwechsel eben auch mal laufen. Und das ist gelegentlich sogar ganz gut so, weil dadurch einigen die Augen geöffnet werden. Jene ungeduldigen Fans, die sofort immer alles und jeden entlassen wollen, könnten daraus lernen. Und aufhören, es sofort auf die Brachialtour zu versuchen. Wie oft wird, besonders hier in Hamburg, gleich nach einem neuen Trainer geschrien? Und dann sogar nach einem „Weltmeister“. Marke Mourinho, Hiddink, Wenger, Ferguson oder auch Di Matteo.

Diesem Verlangen gab erst kürzlich auch der HSV nach. Der verpflichtete zwar nur einen Vize-Weltmeister, aber Bert van Marwijk war natürlich zu jener Zeit der größte aller HSV-Hoffnungsträger. Bei seiner Vorstellung gab er zu: „Ich hatte viele Angebote, aber ich habe so lange gewartet, bis der richtige Verein kommt – das war der HSV, da passt alles.“ Dafür gab es Beifall. Bis der Coach nach einigen Wochen auf die Idee kam, der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass „einmal Training am Tag reicht“. Nur nicht zu viel arbeiten, auch wenn die Formkurve der Mannschaft steil nach unten zeigt ...

Zur Erinnerung: Die HSV-Trainer in diesem Jahrtausend hießen Slomka, van Marwijk, Cardoso, Fink, Arnesen, Oenning, Veh, Moniz, Labbadia, Jol, Stevens, Doll, Toppmöller, Jara, Hieronymus und Pagelsdorf. Es war also sehr wohl der eine oder andere klangvolle Name am Start, und es waren auch Trainer dabei, die durchaus Erfolge hatten – nur eben nicht beim HSV. In Hamburg scheint alles viel schwerer, warum auch immer. Jetzt aber ist nicht schon wieder ein neuer Trainer gefragt, sondern Geduld. Und Vertrauen in die AG-Führung. Sie sollen es richten, sie werden es richten – nur dauert es eben seine Zeit. Dieser HSV wird, davon bin ich überzeugt, nicht sehenden Auges in den Abgrund (Zweite Liga) stürzen. Und wenn alle – die Verantwortlichen, Trainer, Spieler und Fans – zusammenhalten, dann wird es vielleicht auch ein wenig schneller gelingen. Nur eines macht auf keinen Fall Sinn, immer und immer wieder die Pferde im Galopp zu tauschen. Irgendwann muss man aus seiner (düsteren) Vergangenheit die Lehren ziehen. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. So heißt es jedenfalls immer bei passender Gelegenheit im Volksmund.

Die HSV-Kolumne „Matz ab“ finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab