Viele Staaten arbeiten an Kampfmaschinen wie aus Science-Fiction-Filmen. Sollen sie wirklich über Leben und Tod entscheiden?

Die israelische Stadt Yokneam liegt rund 20 Kilometer südöstlich von Haifa am Karmelgebirge. Sie zählt 22.000 Einwohner, aber mehr als 100 Hightech-Firmen, deren kombinierter Umsatz viele Milliarden Euro beträgt. Es ist kein Zufall, dass dieses Hightech-Zentrum unweit der renommierten Forschungs- und Lehranstalten Technion und Universität Haifa gelegen ist.

Im Frühsommer habe ich dort die Firma Rewalk besucht, die sogenannte Exoskelette für Querschnittsgelähmte herstellt. Computergesteuerte, maschinengetriebene Beinschienen ermöglichen es behinderten Menschen, wieder zu gehen, allerdings an Krücken. Das knapp 60.000 Euro teure System ist auch in Deutschland im Einsatz, zum Beispiel in einer Klinik in Greifswald. Ich fragte einen der Chefs von Rewalk nach der dunklen Seite von Exoskeletten – der militärischen Anwendung. „Unsere Firma stellt nur Geräte für die zivile Anwendung her“, sagte er. „Für andere Firmen kann ich das nicht behaupten.“ Die US-Rüstungsfirma Lockheed-Martin zum Beispiel hat das System „Hulc“ (Human Universal Load Carrier) entwickelt, das einem Soldaten Superkräfte zum mühelosen Transport von Waffen und Ausrüstung verleiht. Andere Systeme, ähnlich dem Rewalk, sollen Soldaten eines Tages in die Lage versetzen, riesige Strecken im Eiltempo marschieren zu können. Der Cyborg – das Mischwesen aus Mensch und Maschine aus Science-Fiction-Filmen – ist in militärischen Erprobungen längst Realität. Der „Talos“-Kampfanzug („Tactical Assault Light Operator Suit“), den das US-Militär entwickeln lässt – benannt nach dem bronzenen Riesen der griechischen Mythologie – soll mit einer Flüssigkeit gefüllt sein, die sich bei Bedrohungen in Millisekunden verhärten kann.

Doch Mensch und Maschine zum Kampfsystem vereint ist noch die harmlosere Entwicklung für das Schlachtfeld der Zukunft. Denn hierbei entscheidet immer noch das menschliche Gehirn über Leben und Tod. Bei den autonomen robotischen Waffensystemen, an denen viele Staaten mit Hochdruck arbeiten, trifft ein seelenloser Computer diese Entscheidung. Erste Modelle sind längst im Einsatz – wie der SGR-A1 der südkoreanischen Firma Samsung. Die Maschine wurde schon vor Jahren zur Bewachung südkoreanischer Militärbasen erprobt. Der Roboter kann Feinde selbst in schwärzester Nacht erkennen und autonom mit einem Maschinengewehr auf vier Kilometer Entfernung bekämpfen. In Israel patrouilliert der gepanzerte, mit Kameras, Sensoren und Waffen ausgestattete Kleinpanzer „Guardium“ entlang des Gazastreifens. Noch wird er wie eine Drohne ferngesteuert, künftige Typen handeln selbstständig. Das Pentagon steckt laut Berichten pro Jahr mehr als sechs Milliarden Dollar in einschlägige Projekte. Der südafrikanische Wissenschaftler und Uno-Sonderberichterstatter Christoph Heyns drängte die Weltgemeinschaft im vergangenen Jahr, die LARS-Systeme – eine Abkürzung von Lethal Autonomous Robots (tödliche autonome Roboter) – zu ächten, bevor „der Geist aus der Flasche“ sei. Heute treffen sich Repräsentanten von Dutzenden Nationen in Genf, um über ein Moratorium für autonome Waffen zu beraten. Doch der Geist ist längst aus der Flasche. Besonders weit gediehen ist die Entwicklung autonomer Kampfdrohnen, die am Himmel patrouillieren und Ziele eigenständig bekämpfen. Die „New York Times“ berichtete am Dienstag über Tests mit Raketen, die sich ihre Ziele selbstständig aussuchen. Die Pentagon-Forschungsagentur Darpa hat, wie der Sender CNN berichtete, bereits die Entwicklung eines fliegenden Mutterschiffs angestoßen, von dem aus Kampfdrohnen automatisch starten.

Im Jahre 1139 ächtete das zweite Laterankonzil unter Papst Innozenz II. den Einsatz der Armbrust. Eine so furchtbare Waffe, die mühelos Rüstungen durchschlagen konnte, sollte niemals gegen Christenmenschen zum Einsatz kommen. Das Verbot wurde bekanntlich ignoriert und wirkt heute naiv. Und es wird wohl auch kein Gesetz geben, das die Ära der Kampfmaschinen noch zu stoppen vermöchte.