Fernsehen leicht gemacht: Schlechter Kaffee bedeutet Mordkommission, Gewitter bedeuten Dracula – wir Medienkinder wissen Bescheid

Sie erkennen das? Es ist dunkel, jemand joggt durch den Wald oder führt seinen Hund Gassi. Wenn sich die Kamera jetzt der Joggerin oder dem Gassigeher leicht wackelnd von hinten durchs Unterholz nähert, wissen Sie als Zuschauer: Gleich gibt’s einen Mord.

Als Fernsehkonsument ist man von Klischees förmlich umzingelt. Gerade Serienregisseure greifen gern zu dramaturgisch bekannten Bildern, weil das Publikum dann schnell im Bilde ist – das gehört zu unserer „Medienkompetenz“. Bei „Inspektor Barnaby“ wird die Wacklig-von-hinten-Einstellung sicherheitshalber noch mit Käuzchen-Rufen und anderen Waldgeräuschen untermalt, damit es auch ja keine Missverständnisse gibt.

Ein scheinbar unausrottbares Klischee ist auch, dass Frauen (und Kinder) im Film dauernd hinfallen, wenn sie in freier Landschaft verfolgt werden. Männern passiert das viel seltener und meistens nur dann, wenn sie angeschossen oder durch schwere Ketten gehandicapt sind. Das Hinfallen kostet wertvolle Zeit und führt in der Regel zum Schlimmsten. Als würden heute nicht Millionen Frauen Turnschuhe tragen, an Stadtmarathons teilnehmen und männliche Couch-Potatoes mühelos hinter sich lassen!

Außerirdische nähern sich im Film prinzipiell von oben, klar. Werfen hässliche Schatten auf Großstädte oder erschrecken Bauern in Latzhosen. Aber warum landen die eigentlich nie im Meer? Ausgekocht gierige Finanzmanager, auf die der kölsche Ausdruck „ene janz fiese Möpp“ passt, haben im Film grundsätzlich Büros mit fantastischem Ausblick auf den Rhein, die Themse oder den Hudson River – aber nie auf den Main. Ist das etwa logisch? Ich frage mich auch, warum Film-Mordkommissionen heute in schicken Lofts arbeiten, in denen ständig gerannt, telefoniert, gescannt, geschimpft und ein Kaffeeautomat traktiert wird, sodass dort im Grunde kein Mensch arbeiten kann. Der Kaffee ist fast immer ungenießbar. Und kaum betreten die Ermittler einen Tatort, fragen sie hundertprozentig „Was haben wir?“, als würde es die Kamera nicht sofort zeigen. Die KTU (Kriminaltechnische Untersuchung; das Kürzel ist unseren Kindern heute früher geläufig als „StVO" oder „OSZE") arbeitet in Filmen mit magischer Geschwindigkeit und liefert DNA-Analysen wie Salzbrezeln.

Das Personal in Mordkommissionen ist auch nicht zu beneiden. Die bleierne Erschöpfung der Lena Odenthal in „Blackout“ (ein Kommentar bei „Tatort“-Fans: „Gott sei Dank kam Kopper gegen 21 Uhr aus Italien zurück“) ist gar nichts gegen den schlaflosen Trübsinn von Kenneth Branagh als Kommissar Wallander. Ein kolossaler Weltschmerz offenbart sich in diesem Mann, der gegen die Wand, über Ystads Rapsfelder oder die Ostsee starrt wie geblendetes Niederwild. Beim Zuschauen möchte man ihm am liebsten eine Kraftbrühe reichen. Wieder ein Klischee: Kommissare müssen leiden wie Hund. Ist das traurig!

Was mir bei Vampirfilmen besonders ins Auge fällt, sind die Wetter-Klischees. Eine Kutsche jagt durch Transsylvaniens verlassene Dörfer und Schneelandschaften – aber sowie Dracula naht, gewittert es. Das macht meteorologisch keinen Sinn, denn Wintergewitter kommen in Rumänien nicht häufiger vor als bei uns. Aber selbst Vampir-Auftritte in den USA oder England sind stets von absurden Spontangewittern begleitet, selbst wenn die Beteiligten gerade noch laue Sommerabende genossen haben.

Ist es nicht auch ein Klischee, dass in unseren Krimis zwar immer noch gesoffen, aber nicht geraucht werden darf? Außer bei Delinquenten in Sozialwohnungen und Plattenbauten. Im wirklichen Leben haben wir reichlich rauchende Ärzte, Assistenzprofessoren oder Gemüsehändler – aber im Film dürfen sie nur qualmen, wenn sie etwas unterschlagen haben oder von der Russenmafia erpresst werden.

Jetzt noch ein Wort zu den Landwirten. Wie kommt es nur, dass die meisten im Film dermaßen eloquent und dialektfrei reden, als würden sie Telekom-Verträge verkaufen? Nach meiner persönlichen Erfahrung schließen sich Treckerfahren und der korrekte Gebrauch des Genitivs gegenseitig aus. Aber das ist vielleicht auch ein Klischee.